Nordwest-Zeitung

TDie Trickserei muss jetzt ein Ende haben“

Das fordert Justizmini­ster Heiko Maas von den Autobauern – SPD-Politiker wirbt für Musterfest­stellungsk­lage

- VON ANDREAA HERHOLZ, BÜRO BERLIN

FRAGE: Nach dem Diesel-Gipfel wird Kritik an den Ergebnisse­n laut. Ist das der erste wichtige Schritt aus der Krise? MAAS: Der Diesel-Gipfel kann nur ein Zwischensc­hritt gewesen sein. Für die Autobranch­e beginnt jetzt die Bewährungs­zeit. Die Trickserei muss ein Ende haben. Die Interessen der Kunden müssen endlich wieder im Mittelpunk­t stehen. Sie dürfen nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Denn die Schuld liegt bei den Managern und nicht bei den Autokäufer­n. FRAGE: Die Autobauer bieten nur ein Software-Update für rund fünf Millionen Dieselfahr­zeuge an. Experten bezweifeln die Wirkung. Was erwarten Sie von den Konzernen? MAAS: Es darf nicht allein bei dem Software-Update bleiben. Die Autobauer müssen echte Anreize setzen, damit die schmutzige­n Alt-Diesel sauberer werden oder ganz von der Straße verschwind­en. Die Konzerne müssen nun sehr schnell die von ihnen finanziert­en Umtauschpr­ämien für diese Autos umsetzen. Und: Das dürfen keine reinen Verkaufsak­tionen, sondern müssen wirklich attraktive und kostengüns­tige Angebote für die Kunden sein. Die Umtauschpr­ämien sollten deutlich über die üblichen Rabatte hinausgehe­n. FRAGE: Drohen jetzt Fahrverbot­e in den gro,en deutschen Städten? MAAS: Niemand sollte ein Interesse daran haben, dass Uralt-Diesel die Luft in unseren Städten verpesten. Die Automobili­ndustrie ist mehr denn je in der Pflicht, Schadstoff­e zu reduzieren und die Umwelt zu entlasten – und zwar schnell, gesetzestr­eu, technisch sauber und transparen­t nachvollzi­ehbar. Die gesetzlich­en Vorgaben zur Luftreinha­ltung müssen eingehalte­n werden. Pauschale Fahrverbot­e gehen am Ende zu Lasten der Autofahrer und der Wirtschaft. FRAGE: Warum erhalten Diesel-Fahrzeugha­lter hierzuland­e keine Entschädig­ung wie in den USA?

MAAS: Die Rechtslage in den USA ist ganz einfach anders. Aber auch bei uns gibt es zahlreiche Gerichtsur­teile, bei denen Käufer recht bekommen. Verträge werden rückabgewi­ckelt, Kaufpreise erstattet und Fahrzeuge müssen zurückgeno­mmen werden. Wir werden weiter darauf hinwirken, dass die Konzerne die bestehende­n Ansprüche von Fahrzeugin­habern erfüllen. FRAGE: Sie fordern das Instrument der Musterfest­stellungsk­lage. Jetzt zeigt sich auch CSU-Chef 1orst Seehofer offen für diese M2glichkei­t. K2nnen die betroffene­n Diesel-3esitzer jetzt hoffen? MAAS: Wir brauchen endlich ein Instrument, mit dem Kunden sich gegen große Konzerne gemeinsam zur Wehr setzen können, ohne ein großes Kostenrisi­ko einzugehen. Es ist ganz einfach: Wer recht hat, muss auch recht bekommen. Dabei würde die Musterfest­stellungsk­lage helfen. Dazu habe ich bereits vor Monaten einen konkreten Vorschlag auf den Weg gebracht. Den hat die CDU/CSU komplett blockiert. Damit ist klar: Die Musterfest­stellungsk­lage wird eines unserer wichtigste­n verbrauche­rpolitisch­en Vorhaben in der neuen Bundesregi­erung. FRAGE: Der Diesel-Skandal und die Vorgänge in Niedersach­sen haben eine Debatte über die Nähe von 4olitik und Autoindust­rie ausgel2st. Sehen Sie hier 1andlungsb­edarf? MAAS: Ja. Wir sollten auch auf staatliche­r Seite Strukturen überdenken: Beim Kraftfahrt­bundesamt sollte künftig verstärkt auch der Verbrauche­rschutz eine Rolle spielen. Es wäre sinnvoll, wenn es beim

Kraftfahrt­bundesamt so etwas wie einen Verbrauche­rbeirat gäbe, damit dort von Anfang an die Interessen der Kunden nicht unter den Tisch fallen. FRAGE: Im 5ktober tritt das Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz in Kraft. Kritiker befürchten 6ensur und Einschränk­ung der Meinungsfr­eiheit. Schie,en Sie mit den 7egeln gegen 1ass im Internet nicht über das 6iel hinaus? MAAS: Nein. Die Meinungsfr­eiheit endet da, wo das Strafrecht beginnt. Es geht bei unserem Gesetz darum, dass Äußerungen, die gegen Strafgeset­ze verstoßen, aus dem Netz gelöscht werden. Straftaten sind kein Ausdruck der Meinungsfr­eiheit, sondern sie sind oft – ganz im Gegenteil – Angriffe auf die Meinungsfr­eiheit von anderen. Mit Mordaufruf­en oder Volksverhe­tzungen sollen Menschen eingeschüc­htert und mundtot gemacht werden. Ich finde, wem wirklich am Schutz der Meinungsfr­eiheit gelegen ist, der darf nicht tatenlos zusehen, wie der offene Meinungsau­stausch durch strafbare Bedrohung und Einschücht­erung unterbunde­n wird. FRAGE: 3a8ern prüft eine Verfassung­sbeschwerd­e gegen die Ehe für alle. Scheitert das Gesetz am Ende doch noch in Karlsruhe? MAAS: Nein. Wir sehen einen Wandel des traditione­llen Eheverstän­dnisses, der angesichts der Gestaltung­sfreiheit des Gesetzgebe­rs die Einführung der Ehe für alle verfassung­srechtlich zulässt. Die Zeit ist längst mehr als reif für diesen gesellscha­ftlichen Fortschrit­t. Unser Recht muss für alle gleich sein.

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