TDie Trickserei muss jetzt ein Ende haben“
Das fordert Justizminister Heiko Maas von den Autobauern – SPD-Politiker wirbt für Musterfeststellungsklage
FRAGE: Nach dem Diesel-Gipfel wird Kritik an den Ergebnissen laut. Ist das der erste wichtige Schritt aus der Krise? MAAS: Der Diesel-Gipfel kann nur ein Zwischenschritt gewesen sein. Für die Autobranche beginnt jetzt die Bewährungszeit. Die Trickserei muss ein Ende haben. Die Interessen der Kunden müssen endlich wieder im Mittelpunkt stehen. Sie dürfen nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Denn die Schuld liegt bei den Managern und nicht bei den Autokäufern. FRAGE: Die Autobauer bieten nur ein Software-Update für rund fünf Millionen Dieselfahrzeuge an. Experten bezweifeln die Wirkung. Was erwarten Sie von den Konzernen? MAAS: Es darf nicht allein bei dem Software-Update bleiben. Die Autobauer müssen echte Anreize setzen, damit die schmutzigen Alt-Diesel sauberer werden oder ganz von der Straße verschwinden. Die Konzerne müssen nun sehr schnell die von ihnen finanzierten Umtauschprämien für diese Autos umsetzen. Und: Das dürfen keine reinen Verkaufsaktionen, sondern müssen wirklich attraktive und kostengünstige Angebote für die Kunden sein. Die Umtauschprämien sollten deutlich über die üblichen Rabatte hinausgehen. FRAGE: Drohen jetzt Fahrverbote in den gro,en deutschen Städten? MAAS: Niemand sollte ein Interesse daran haben, dass Uralt-Diesel die Luft in unseren Städten verpesten. Die Automobilindustrie ist mehr denn je in der Pflicht, Schadstoffe zu reduzieren und die Umwelt zu entlasten – und zwar schnell, gesetzestreu, technisch sauber und transparent nachvollziehbar. Die gesetzlichen Vorgaben zur Luftreinhaltung müssen eingehalten werden. Pauschale Fahrverbote gehen am Ende zu Lasten der Autofahrer und der Wirtschaft. FRAGE: Warum erhalten Diesel-Fahrzeughalter hierzulande keine Entschädigung wie in den USA?
MAAS: Die Rechtslage in den USA ist ganz einfach anders. Aber auch bei uns gibt es zahlreiche Gerichtsurteile, bei denen Käufer recht bekommen. Verträge werden rückabgewickelt, Kaufpreise erstattet und Fahrzeuge müssen zurückgenommen werden. Wir werden weiter darauf hinwirken, dass die Konzerne die bestehenden Ansprüche von Fahrzeuginhabern erfüllen. FRAGE: Sie fordern das Instrument der Musterfeststellungsklage. Jetzt zeigt sich auch CSU-Chef 1orst Seehofer offen für diese M2glichkeit. K2nnen die betroffenen Diesel-3esitzer jetzt hoffen? MAAS: Wir brauchen endlich ein Instrument, mit dem Kunden sich gegen große Konzerne gemeinsam zur Wehr setzen können, ohne ein großes Kostenrisiko einzugehen. Es ist ganz einfach: Wer recht hat, muss auch recht bekommen. Dabei würde die Musterfeststellungsklage helfen. Dazu habe ich bereits vor Monaten einen konkreten Vorschlag auf den Weg gebracht. Den hat die CDU/CSU komplett blockiert. Damit ist klar: Die Musterfeststellungsklage wird eines unserer wichtigsten verbraucherpolitischen Vorhaben in der neuen Bundesregierung. FRAGE: Der Diesel-Skandal und die Vorgänge in Niedersachsen haben eine Debatte über die Nähe von 4olitik und Autoindustrie ausgel2st. Sehen Sie hier 1andlungsbedarf? MAAS: Ja. Wir sollten auch auf staatlicher Seite Strukturen überdenken: Beim Kraftfahrtbundesamt sollte künftig verstärkt auch der Verbraucherschutz eine Rolle spielen. Es wäre sinnvoll, wenn es beim
Kraftfahrtbundesamt so etwas wie einen Verbraucherbeirat gäbe, damit dort von Anfang an die Interessen der Kunden nicht unter den Tisch fallen. FRAGE: Im 5ktober tritt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft. Kritiker befürchten 6ensur und Einschränkung der Meinungsfreiheit. Schie,en Sie mit den 7egeln gegen 1ass im Internet nicht über das 6iel hinaus? MAAS: Nein. Die Meinungsfreiheit endet da, wo das Strafrecht beginnt. Es geht bei unserem Gesetz darum, dass Äußerungen, die gegen Strafgesetze verstoßen, aus dem Netz gelöscht werden. Straftaten sind kein Ausdruck der Meinungsfreiheit, sondern sie sind oft – ganz im Gegenteil – Angriffe auf die Meinungsfreiheit von anderen. Mit Mordaufrufen oder Volksverhetzungen sollen Menschen eingeschüchtert und mundtot gemacht werden. Ich finde, wem wirklich am Schutz der Meinungsfreiheit gelegen ist, der darf nicht tatenlos zusehen, wie der offene Meinungsaustausch durch strafbare Bedrohung und Einschüchterung unterbunden wird. FRAGE: 3a8ern prüft eine Verfassungsbeschwerde gegen die Ehe für alle. Scheitert das Gesetz am Ende doch noch in Karlsruhe? MAAS: Nein. Wir sehen einen Wandel des traditionellen Eheverständnisses, der angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die Einführung der Ehe für alle verfassungsrechtlich zulässt. Die Zeit ist längst mehr als reif für diesen gesellschaftlichen Fortschritt. Unser Recht muss für alle gleich sein.