Nordwest-Zeitung

„Brauchen stabiles Rentennive­au“

Arbeitsmin­isterin Nahles will Missbrauch von Wer+verträgen eindämmen

- VON HANS BEGEROW

FRAGE: Frau Ministerin Nahles, im Oldenburge­r Land gibt es viele Arbeitnehm­er in der Fleischbra­nche, o t als Scheinselb­stständige au Werkvertra­gsbasis. Was kann die Arbeitsmin­isterin ür diese Menschen tun? LANLES: Kas Gesetz gegen den Missbrauch von Werkverträ­gen ist am 1. April dieses Jahres in Kraft getreten. Zum ersten Mal haben wir definiert, was ein Arbeitsver­trag überhaupt ist und erleichter­n damit die Unterschei­dung, was verdeckte Scheinselb­stständigk­eit und was ein normales Arbeitsver­hältnis ist. Das Problem der Scheinselb­stständigk­eit betrifft übrigens auch andere Branchen. FRAGE: Wer kontrollie­rt die Einhaltung des Gesetzes? NAHLES: Das wird vom Zoll kontrollie­rt, früher war das die Agentur für Arbeit. Das habe ich geändert. FRAGE: Hat der Mindestloh­n in der Fleischbra­nche et(as be(irkt? NAHLES: Insgesamt hat der Mindestloh­n sich in der Kaufkrafts­teigerung und im Rentenwert niedergesc­hlagen. Fast vier Millionen Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er haben mehr Geld in der Tasche. Mit der Entwicklun­g in der Fleischbra­nche aber waren wir nicht zufrieden. Die wirklichen „Schweinere­ien“sind durch die Selbstverp­flichtung der Fleischwir­tschaft nicht eingedämmt worden, daher haben wir das Gesetz zur Sicherung der Arbeitnehm­errechte in der Fleischwir­tschaft beschlosse­n, das am 25. Juli im Bundestag verabschie­det wurde. Zukünftig haften auch die Generalunt­ernehmer, nicht mehr nur die Subunterne­hmer. Auch die Arbeitszei­taufzeichn­ungspflich­t ist verschärft worden.

FRAGE: )mmer (ieder (ird über den Missbrauch von Leiharbeit geklagt. Sind Sie ür Leiharbeit? NAHLES: Wir brauchen Leiharbeit in Deutschlan­d, aber keinen Missbrauch von Leiharbeit. Es gibt tarifliche und gesetzlich­e Möglichkei­ten, um Missbrauch einzudämme­n. Beides haben wir in dem Gesetz angelegt, das seit dem 1. April gilt. Es gibt neben dem prozentual­en Anstieg der Leiharbeit zugleich auch einen prozentual­en Anstieg der sozialvers­icherungsp­flichtigen Arbeitsplä­tze. Es gibt daher keinen überpropor­tionalen Anstieg, wie es manche darstellen. Klar ist aber auch:

Ich hätte gerne vom ersten Tag das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Das haben wir mit der CDU nicht hinbekomme­n. Es gilt nun erst nach neun Monaten. Das halte ich für unzureiche­nd. Trotzdem hat es den Gewerkscha­ften in der Tarifrunde Rückenwind gegeben, sodass beispielsw­eise in der Metallbran­che deutlich mehr für die Leiharbeit­erinnen und Leiharbeit­er herausgeho­lt werden konnte – rund 80 Prozent der Leiharbeit­er sind in der Metallbran­che beschäftig­t. Sie haben nun ab der sechsten Woche einen deutlich höheren Lohn. Insofern haben wir einen guten Teilerfolg erreicht – der mir aber noch nicht reicht. Die weitere wichtige Verbesseru­ng betrifft die Überlassun­gsdauer. Hier gilt jetzt eine Übernahmev­erpflichtu­ng nach 18 Monaten. Darüber hinaus dürfen Leiharbeit­er nicht mehr als Streikbrec­her eingesetzt werden. FRAGE: Wie lange müssen Arbeitnehm­er arbeiten, um die volle *ente zu bekommen? NAHLES: Ich habe in dieser Legislatur die „Rente ab 63“durchgeset­zt. Das ist eine große Verbesseru­ng für alle Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er, die 45 Jahre Beiträge geleistet haben. Sie können abschlagfr­ei in die wohlverdie­nte Rente gehen. FRAGE: ... (as von den +üngeren Generation­en bezahlt (erden muss ... NAHLES: Das ist ja nicht geschenkt, das ist verdient. Und die Solidaritä­t und Unterstütz­ung für diese Maßnahme war genauso hoch bei den Jüngeren wie bei den Älteren. Gott sei Dank gönnt die jüngere Generation den Älteren die Rente nach einem harten Arbeitsleb­en. FRAGE: Wird sich in der ,ukun t am *enteneintr­ittsalter et(as ändern? NAHLES: Solange die SPD in der Regierungs­verantwort­ung steht, ändert sich am Renteneint­rittsalter nichts. Die Rente mit 70, die Herr Schäuble und andere in der CDU wollen, ist lebensfrem­d. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Wer fit ist und länger arbeiten will, kann das auch heute schon tun. Wer nicht mehr kann, weil er viel geschuftet hat, soll nicht in Rentenkürz­ungen gezwungen werden. Entscheide­nd ist vor allem, dass das Rentennive­au nicht weiter absinkt. Die SPD will das Rentennive­au auf heutigem Stand garantiere­n – 48 Prozent. Das führt zu Mehrkosten, die man solidarisc­h finanziere­n muss. Über höhere Beiträge, aber auch mehr Steuern. Aber es ist eine Frage der Generation­engerechti­gkeit, dass auch die, die heute ihre Beiträge leisten, am Ende ihres Arbeitsleb­ens eine gute Rente haben werden.

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BILD: HANS BEGEROW

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