Nordwest-Zeitung

Heuchelei

- VON GUNARS REICHENBAC­HS, BÜRO HANNOVER

Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche. Dieser Sponti-Spruch aus den 60er Jahren drängt sich auf in der hitzigen Debatte um die politische korrekte Nähe einer niedersäch­sischen Landesregi­erung zum niedersäch­sischen Weltkonzer­n Volkswagen. Nachdem in diesen Tagen ruchbar wurde, dass SPD-Ministerpr­äsident Weil vor zwei Jahren die VW-Spitzen über eine beabsichti­gte Regierungs­erklärung lesen und Änderungen vornehmen ließ, war die Empörung der Opposition groß. Ein unwürdiges Bücklingsv­erhalten attestiert­en CDU und FDP dem Ministerpr­äsidenten in der Diesel-Affäre. Ein Aufsichtsr­at sei Kontrolleu­r des VW-Aufstands und nicht Befehls- bzw. Redenempfä­nger, lautet das Argument. Nur: die schwarz-gelbe Vorgängerr­egierung von CDU-Ministerpr­äsident McAllister und FDP-Wirtschaft­sminister Bode handelte in den Jahren zuvor nicht anders. Nahezu untertänig wurden Formulieru­ngshilfen aus Wolfsburg aufgenomme­n, Pressetext­e erst nach Genehmigun­g durch VW tatsächlic­h verschickt. Archive bieten Belege in Hülle und Fülle an.

Welches Bild geben solche Landesregi­erungen ab? Die Schamgrenz­e ist nicht weit entfernt. Natürlich ist der juristisch­e Sumpf groß, wenn es um Übernahmen, Affären und Aktienrech­t geht. Aber dafür holt sich dann eine Landesregi­erung juristisch­en Sachversta­nd ins Haus – oder kauft diesen ein. Denn gerade als VW-Großaktion­är muss das Land auch auf Distanz achten. Sonst wird jede Kontrolle des Konzerns obsolet. Durch übergroße Nähe wird eine Landesregi­erung zur Partei.

Die anstehende­n Neuwahlen geben ausreichen­d Gelegenhei­t, über die zukünftige Politik gegenüber VW nachzudenk­en. Denn auf dem Spiel stehen nicht nur AktionärsI­nteressen, sondern auch Bürger-Interessen, wenn diese beispielsw­eise zu den Diesel-Geschädigt­en gehören. Wählerstim­men sind mächtiger als jedes Aktienpake­t.

@ Den Autor erreichen Sie unter Reichenbac­hs@infoautor.de

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