Staatskanzlei ließ Zitate durch VW absegnen
Schwarz-gelbe Landesregierung kooperierte eng – *x-Minister Bode sieht keine Probleme
HANNOVER – Wie politisch nah darf eine Landesregierung am Weltkonzern Volkswagen sein, an dem das Land Niedersachsen 20 Prozent der Aktien hält – versehen mit einer Sperrminorität? Gar nicht, sagen die Puristen, die darauf hinweisen, dass zwei Mitglieder der Landesregierung im VW-Aufsichtsrat sitzen und damit Kontrollfunktionen wahrnehmen. Dass Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) eine Regierungserklärung vor der Rede im Landtag von Volkswagen gegenlesen ließ, sorgt für helle Empörung bei CDU und FDP. Eine geschauspielerte Empörung? Auch die Vorgängerregierung von Ministerpräsident David McAllister (CDU) und Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) suchten die Nähe zu VW, ließen sich öffentliche Äußerungen aus Wolfsburg diktieren.
In der Rückschau kann ExMinister Bode daran nichts Verwerfliches entdecken. „Jede Staatsbeteiligung ist ein Problem“, räumt Bode im Gespräch mit dieser Zeitung ein. Andererseits sei eine enge Abstimmung mit VW für jede Landesregierung „richtig und wichtig“, betont der FDPLandtagsabgeordnete. Schließlich agiere eine niedersächsische Landesregierung als VW-Aktionär in einem „aktienrechtlich sensiblen Bereich“. Jede Äußerung wiege schwer.
FDP-Landeschef Stefan Birkner sieht eine solche Nähe viel kritischer. Zu der von VW kontrollierten Regierungserklärung Weils im Jahr 2016 sagt Birkner: „Ich bin sauer und empört. Wenn sich das bestätigt, ist das ein Unding.“„Wir hatten damals genau den Eindruck, da spricht nicht der Ministerpräsident, sondern ein Sprecher von VW“, sagt Birkner zu der Weil-Rede.
CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann zeigt sich
ähnlich empört über die Tatsache, „dass sich Weil von VW Reden schreiben lässt“. Der CDU-Landeschef will im Fall eines Wahlsiegs einen Experten für VW in die Staatskanzlei holen. „Ich sage, dafür sollten wir einen ausgewiesenen Fachmann oder eine Fachfrau holen, die sich in der Staatskanzlei ausschließlich um VW kümmert“, kündigt Althusmann an. Auch das zweite Aufsichtsratsmandat des Landes
bei VW könne „von einem versierten Experten von außen wahrgenommen werden.“
Ex-Ministerpräsident David McAllister sah die Dinge offenbar deutlich gelassener. Ein Blick in die Akten der niedersächsischen Staatskanzlei beweist, dass sich die McAllister-Regierung ausgesprochen oft, umfassend und eng mit dem Volkswagen-Konzern abgesprochen hat. Von Kontrolle ist dabei weniger zu spüren. So unterwarfen sich McAllister und Bode als VW-Aufsichtsräte 2010 sogar einer „Kommunikationsrichtlinie“mit „besonderen rechtlichen Beschränkungen“für jede Äußerung als Aufsichtsräte. Für Streitfälle wurde vom Konzern sogar eine „Clearing Stelle“eingerichtet. Die hatte das letzte Wort – auch gegenüber einem Ministerpräsidenten.
Selbst bei Interviews von McAllister redete VW ein Wort mit. Das ergibt sich aus einer Notiz vom 14. Oktober 2011. Zur Vorbereitung eines Interviews mit dem „Handelsblatt“übersendete die Staatskanzlei Textpassagen an den Bereich „Investor Relations“bei VW. In der Begleit-Mail hieß es aus der Staatskanzlei: „Anbei mein Wording-Vorschlag, der nun an die aktuelle Situation angepasst werden müsste. Wäre toll, wenn Du das aktualisierte VW-Wording einfügen könntest.“Man duzt sich. Man versteht sich.