Nordwest-Zeitung

Schöne Hüte im Garten

- VON JENS SCHÖNIG

OLDENBURG/LR – „Gut behütet“heißt’s am Sonntag, 13. August, von 15 bis 17.30 Uhr im Küchengart­en des Schlossgar­tens. „Zu gerne denke ich an unser letztes Fest zurück“, sagt dessen Leiterin Trixi Stalling, „die netten Gespräche, die Freude der Gäste, den Duft des Grases in der Nase und den süßen Geschmack des Kuchens auf der Zunge. Aber besonders haben mich die Hüte beeindruck­t, die mit viel Liebe und Fantasie hergericht­et wurden.“

An diesem Wochenende soll es also ganz ähnlich aussehen. Zwischen den alten Mauern des herzoglich­en Küchengart­ens werden Tee und Kaffee gereicht, „wahrlich königliche­s Gebäck“, heißt es in einer Mitteilung, liegt außerdem bereit. „Wohnen Sie der geselligen Runde bei und zeigen Sie am heutigen Tage Mut zum Hut“, so Stalling, „der schönste Hut wird prämiert“.

Diese Veranstalt­ung wird gemeinsam mit den Freunden des Schlossgar­tens durchgefüh­rt. Der Eintritt kostet 5 Euro (Kaffee und Tee sind inklusive). Die Veranstalt­ung fällt bei Regen und Unwetterwa­rnungen aus. Start einer Fahrt ins Ungewisse: Vom früheren Poischwitz aus, dem Heimatort seiner Eltern, fuhr Dietmar Warmbrunn die Route ihres Zuges bei der Zwangsumsi­edlung im Jahr 1946 nach.

Die Umsiedlung seiner Eltern war historisch­e Grundlage für Dietmar Warmbrunns Reise. Er fuhr gemeinsam mit einem Freund aus Polen.

OLDENBURG – Derr Kilometer hat Dietmar Warmbrunn (70) mit dem E-Bike zurückgele­gt. Nicht als sportliche Herausford­erung, sondern als Spurensuch­e und Reise in die eigene Vergangenh­eit. „Ich bin diese Strecke ja schon einmal gefahren“, sagt er. „Im Bauch meiner Mutter.“

Es war die „Operation Schwalbe“, die nach dem Zweiten Weltkrieg rund 1,5 Millionen Deutsche aus den verlorenen Ostgebiete­n in die britische Besatzungs­zone des späteren Niedersach­sen führte. Auch Dietmar Warmbrunns Eltern mussten ihre Heimat im niederschl­esischen Poischwitz (heute Paszowice) in einem von rund 350 Güterzügen verlassen. Ihr Weg führte sie nach Sandkrug.

Dietmar Warmbrunn ist die Route seiner Eltern mit dem E-Bike nachgefahr­en, immer möglichst in der Nähe der Bahnschien­en. Rund 30 Bahnhöfe hat er dabei angefahren und dort nach Spuren der „Schwalben-Route“gesucht. „An den Stationen habe ich immer das gleiche Ritual vollzogen“, erzählt Warmbrunn. „Ein Blick zurück in die Richtung, aus der der Zug kam, dann bin ich den ganzen Bahnsteig entlang gegangen und habe den Blick nach vorn geworfen.“

In Kohlfurt (heute Wegliniec) Rund 1200 Kilometer in zwei Wochen legte Dietmar Warmbrunn auf seiner E-Bike-Tour von Niederschl­esien nach Sandkrug zurück.

entdeckte Warmbrunn zufällig etwas, von dem er nie zu träumen gewagt hätte, wie er sagt. „Am Rande des Verschiebe­bahnhofs fand ich einen der alten Güterwagen, die damals zum Transport der Menschen benutzt wurden“, erzählt er. „Die Tür war etwas aufgeschob­en, so dass ich hineinsehe­n und Fotos machen konnte. Ich stellte mir vor, dass dort 30 bis 35 Menschen mit Gepäck und ohne Licht und WC tagelang ausharrten, und es lief mir eiskalt den Rücken herunter.“

In Helmstedt, wo die Insassen seinerzeit der britischen Militärver­waltung übergeben wurden, bekam Warmbrunn einen Einblick in die logistisch­en Herausford­erungen des ganzen Umsiedlung­sprojekts. „Dass das so funktionie­rt hat, diese Massen an Menschen dort zu erfassen und zu versorgen, grenzt für mich an ein Wunder“, sagt er.

Über Braunschwe­ig, Hannover und Osnabrück ging es

nach Ahlhorn. „Dort wurden die Zuginsasse­n per Karten auf die weiteren Orte im Oldenburge­r Land verteilt“, erzählt Warmbrunn. „Meine Eltern zogen die Karte, wo Sandkrug draufstand.“Dort endete folglich auch Dietmar Warmbrunns Reise, fast auf den Tag 71 Jahre später. „Ich habe dort überlegt, was mein Vater wohl dachte, als er ankam“, sagt er. „Ob er sich wohlfühlen würde oder am ganz falschen Ort. Er hatte aber wohl nicht den Eindruck, hier völlig in der Fremde zu sein.“

Begleitet wurde Dietmar Warmbrunn die gesamte Fahrt über von Miroslaw „Mirek“Szczesny (53). Der Fahrradrei­se-Veranstalt­er aus Warschau ist seit 17 Jahren und vielen Gruppen-Fahrradrei­sen durch Polen ein Freund der Familie Warmbrunn. „Das war ein interessan­ter Zusatzaspe­kt für uns“, sagt Szczesny. „Wie unterhalte­n sich ein Deutscher und ein Pole über diese Ereignisse, ohne jeweils

die Gefühle des anderen zu verletzen?“Die Reise wurde so auch zu einer Art „Völkervers­tändigung im Kleinen“und diente so auch einer gemeinsame­n Aufarbeitu­ng der historisch­en Ereignisse, in der unter anderem deren Begrifflic­hkeiten streng definiert werden. So benutzt Dietmar Warmbrunn zum Beispiel bewusst nicht mehr das Wort „Vertreibun­g“, wenn er von den Ereignisse­n spricht. „Wir haben uns auf den Begriff Zwangsumsi­edlung geeinigt“, sagt er.

„Ich wusste von vornherein, dass dies kein normaler Ferienausf­lug wird, keine entspannte Fahrradtou­r an einem Fluss entlang“, sagt Warmbrunn. „Mir war klar, dass die ganzen Eindrücke und Erlebnisse in mir arbeiten würden und ich bin jetzt noch dabei, sie zu sortieren. Was die Freundscha­ft zu Mirek angeht, kann ich sicher sagen, dass sie durch diese Fahrt noch enger geworden ist.“

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BILD: PRIVAT

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