Mehr Fairness
Ketzer, Verräter, Menschenfeind, Intrige, Dolchstoßlegende – was bislang schon in der Phase des Vorwahlkampfs an Verbalinjurien aus den Parteien in Niedersachsen hochschwappt, lässt Böses für die kommenden Wochen erahnen. Der politische Gegner mutiert immer mehr zum Feind. Bis zum Hass ist es dann nicht mehr weit. Natürlich spielen nur jeweils die aus dem politisch anderen Lager dieses üble Spiel. Man selbst befleißigt sich größter Zurückhaltung und fordert – bevor man über den Gegner herfällt – am liebsten noch alle Mitbewerber zum fairen Umgang auf. Ob eine solche Schlammschlacht die Wähler wirklich überzeugt?
Wahlkämpfe sind kein Wettbewerb im Wattebäuschchen-Werfen. Sollen sie auch nicht sein. Der Bürger möchte schon wissen, wo die Unterschiede zwischen den Parteien liegen.
Und dabei sind die Lager in Niedersachsen klar sortiert: Rot/Grün gegen Schwarz/Gelb, auch wenn FDP-Chef Birkner sich derzeit um Distanz zur Union bemüht, um das Profil der Liberalen zu schärfen. Mit wem will Birkner sonst ein Bündnis schließen? Die SPD strampelt sich – derzeit– weit entfernt vom Siegerpodest – ab. Bleibt nur die CDU für eine mögliche Zweier-Koalition mit großem und kleinem Partner. Jegliches Dreier-Bündnis lehnt die FDP wegen der Grünen ab.
Nach derzeitigem Stimmungsstand dürfte die rechtspopulistische AfD den Einzug in den Landtag schaffen. Man braucht keinen Rechenschieber, um die Folgen vorherzusehen: Zieht keine Dreier-Option, bleibt für Niedersachsen die Große Koalition die wahrscheinlichste Variante. Doch wie zueinander finden, wenn schon jetzt die Verbal-Keulen ausgepackt werden?
Die, die jetzt aufeinander eindreschen, müssen vielleicht morgen schon an einem Tisch miteinander reden. Rhetorische Abrüstung erleichtert das Geschäft. Und wetten: Dem Bürger gefällt’s garantiert. Höchste Zeit, dass sich Niedersachsens Landtags-Parteien auf ein Fairness-Abkommen einigen. Ein echtes. Vielleicht unter dem Dach der Großen Kirchen. Es wäre nicht die schlechteste Idee.
@ Den Autor erreichen Sie unter Reichenbachs@infoautor.de
BUNDESTAGSWAHLKAMPF