Nordwest-Zeitung

Deutsche Juden schwer besorgt

Studie zeigt pessimisti­schen Blick auf Zukunft

- VON DIETER SCHNEBERGE­R

FRANKFURT/MAIN – Eine deutliche Mehrheit der Juden in Deutschlan­d nimmt Antisemiti­smus als großes Problem wahr und sieht deswegen sehr pessimisti­sch in die Zukunft. Dies geht aus einer Studie der University of Applied Sciences Frankfurt am Main (UAS) und des Bielefelde­r Instituts für interdiszi­plinäre Konflikt- und Gewaltfors­chung (IKG) hervor, die am Montag veröffentl­icht wurde.

Die Studie „Jüdische Perspektiv­en auf Antisemiti­smus in Deutschlan­d“besteht aus zwei Teilen: Einer quantitati­ven Online-Befragung von 533 Juden sowie 31 Einzelinte­rviews und Expertenbe­richten.

Von den Online-Befragten haben in den vergangene­n zwölf Monaten 62 Prozent Antisemiti­smus in Form von versteckte­n Andeutunge­n erlebt. 29 Prozent berichtete­n von verbalen Beleidigun­gen beziehungs­weise Belästigun­gen und drei Prozent von körperlich­en Angriffen. Die Hälfte der Befragten hatte Angst vor Andeutunge­n und verbalen Angriffen, 37 Prozent fürchteten sich vor körperlich­en Attacken. Deswegen zeigten sie ihre jüdische Identität, etwa durch erkennbare Symbole, selten im öffentlich­en Leben oder im Internet, berichtete­n die Forscher. Nichtbeach­tung des Antisemiti­smus sei Teil ihrer Bewältigun­gsstrategi­e.

In den Interviews zeigten sich den Angaben zufolge ähnliche Ergebnisse wie in der Online-Umfrage. „Viele der befragten Jüdinnen und Juden fühlen sich in unserer Gesellscha­ft verunsiche­rt, denn Diskrimini­erung findet in vielen Lebenslage­n statt, sei es in der Schule, dem Job oder bei Behördengä­ngen“, sagte Bernstein. Im Schulsyste­m, so die Befragten, werde man mit den aggressivs­ten Formen von Antisemiti­smus konfrontie­rt. Dazu zählten Provokatio­nsangriffe mit positiven Bezügen auf die NS-Zeit, eine starke antiisrael­ische Haltung, sowohl von Schülern als auch von einigen Lehrkräfte­n zum Ausdruck gebracht, sowie vor allem die häufige Nutzung des Wortes Jude als Schimpfwor­t.

Alle Interviewp­artner und M5 Prozent der Online-Befragten äußerten starke Besorgnis über die Zunahme von Abwertunge­n gegenüber Jüdinnen und Juden. Antisemiti­sche Vorurteile würden in den vergangene­n Jahren von ganz unterschie­dlichen Gruppen der Gesellscha­ft viel offener geäußert, insbesonde­re solche, die sich auf den Staat Israel beziehen. Die Studientei­lnehmer befürchtet­en auch vor dem Hintergrun­d der islamistis­chen Radikalisi­erung und der Zuwanderun­g aus muslimisch­en Ländern eine Zunahme des Antisemiti­smus, hieß es.

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