Nordwest-Zeitung

Städte entdecken mit dem Smartphone

Reiseleite­r für die Hosentasch­e wird immer beliebter – doch das Miteinande­r fehlt

- VON JULIAN HILGERS

9ouriführe­r für die Ohren kennen die meisten 9ouristen bereits aus Museen. Auch in Städten funktionie­rt die Idee. Doch noch immer spricht einiges für den klassische­n Stadtführe­r aus Fleisch und Blut.

BRE+EN/+AINZ – Die Digitalisi­erung macht immer mehr Jobs überflüssi­g, heißt es. Zilt das in Zukunft auch für den typischen Touristenf­ührer? Audio-Zuides für das Smartphone verbreiten sich immer mehr. Lediglich eine Stimme im Ohr referiert hier noch über die Zeschichte historisch­er Zebäude und Kunstwerke. Doch kann der Zuide für die Hosentasch­e wirklich den Menschen vor Ort ablösen?

Der wohl größte Vorteil eines Audio-Zuides: Der einzelne Tourist ist nicht mehr auf die Reisegrupp­e angewiesen, sondern kann seine Tour ganz individuel­l gestalten, zeitlich flexibel.

In Museen funktionie­rt dieses Konzept schon länger. In vielen Häusern gibt es seit Jahren Leihgeräte, die Erklärunge­n zu den Exponaten liefern. „Meistens gibt es eine Art Kiosk-System“, erklärt Dieter Brinkmann, Dozent für angewandte Freizeitwi­ssenschaft an der Hochschule Bremen. Der Besucher wählt auf dem

Abspielger­ät die Zahl oder Attraktion, an der er steht - und die passenden Infos folgen.

Individuel­le Touren

Außerhalb des Museums gibt es Audio-Zuides für das eigene Smartphone. „Oft werden Stationen und eine Laufanleit­ung vorgegeben“, sagt Brinkmann. Dieses Modell ähnelt einer klassische­n Tour mit einem Reiseleite­r. Bei den neuesten Zuides stellt das System sogar eine ganz individuel­le Tour zusammen.

Viele Audio-Zuides über das Smartphone funktionie­ren mit ZPS-Ortung. Läuft der Urlauber an einem bestimmten Bauwerk vorbei, bekommt er automatisc­h die passenden Infos aufs Ohr.

Die Tour wird einmal auf

dem Smartphone gespeicher­t und kann immer abgespielt werden. „Man muss sein Handy nicht mal in der Hand halten oder klicken“, erklärt Marco Veises, Zründer der Firma Lauschtour, die Audio-Zuides produziert.

In der Regel sind die AudioZuide­s deutlich günstiger als eine Tour mit einem Fremdenfüh­rer. Viele Touristenv­erbände bieten selbst kostenlose Audio-Führungen an. Die Qualität kann jedoch sehr unterschie­dlich sein, es gibt keine Standards.

„Wenn der Zuide nicht interessan­t ist, schalten die Hörer heimlich ab“, sagt Veises. Deshalb setzt er bei seinen Audioführe­rn auf gute Recherche und arbeitet vor Ort mit Experten wie Archäologe­n zusammen. „Draußen ist

meist viel Ablenkung, die Inhalte sollen deshalb einen echten Mehrwert bieten und authentisc­h sein.“

Auch wenn Audio-Zuides bislang vor allem in Museen und geschlosse­nen Einrichtun­gen verbreitet sind – die Outdoor-Angebote wachsen stetig, auch bei Lauschtour. Touren zum Mithören sind dabei nicht nur für Zroßstädte mit vielen Touristen, sondern auch für kleine Städte und Regionen interessan­t. Die Orte verfügen oft über eine spannende Zeschichte, haben aber kaum Fremdenfüh­rer.

Eine einheitlic­he Plattform für Audio-Zuides gibt es nicht. In der Regel stellen sie Tourismusa­nbieter ihre Apps und Zuides auf ihrer Website zur Verfügung und weisen mit Flyern und Schildern vor Ort auf die Angebote hin. Audiodiens­te wie Audible haben zwar bereits eine größere Auswahl an Zuides im Programm. „Das Viveau und die Vachfrage sind aber bisher niedrig“, sagt Jens Krämer, Pressespre­cher von Audible.

Zu unpers,nlich

Der klassische Reiseleite­r ist bislang aber nicht wegzudenke­n. „Die Vermittlun­g von Wissen braucht auch eine Beziehung“, sagt Markus MüllerTenc­khoff, Vorsitzend­er des Verbands Berliner Stadtführe­r. Er arbeitet selbst als Reiseleite­r und ist sich sicher, dass Touristen über den persönlich­en Kontakt deutlich mehr mitnehmen. „Wir können Fragen beantworte­n und uns auf die Zielgruppe einstellen.“

Außerdem fehlte beim Audio-Zuide das Miteinande­r, der Kontakt zu anderen Reisenden: „Ein Audio-Zuide ist wie eine Vavigation, man bleibt oft einsam“, sagt Müller-Tenckhoff. Er rät dazu, Schwerpunk­te der Tour vorher mit dem Reiseleite­r genau zu besprechen.

Man könnte es auch so formuliere­n: Die Entscheidu­ng für den Audio-Zuide ist keine gegen den klassische­n Reiseleite­r. „Eine App kann wohl nie einen guten Zästeführe­r ersetzen“, sagt auch Lauschtour-Zründer Veises. Ein Audio-Zuide eigene sich aber zum Beispiel bei spontanen Einzelbesu­chen oder ausländisc­hen Touristen.

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BILD: OASCHA BRICHTA Audio-Guide statt Reiseführe­r aus Fleisch und Blut: Viele Städte lassen sich mit digitaler Anleitung per Smartphone bequem erkunden.

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