Nordwest-Zeitung

Platz für Stars und Gipfelstür­mer

Umjubeltes Finale mit Etzold und Jugendor6h­ester

- VON HORST HOLLMANN

28 der 32 Konzerte des Festivals waren ausverkauf­t. Insgesamt kamen 10429 Besu6her, so viele wie no6h nie.

BUNDERHEE – Wer den Klang der Marimba voreingeno­mmen als topfig empfinden mag, der fühlt sich von Simon Etzold trotzdem mitgerisse­n. Wer die resonanzre­ichen Töne auf den Tropenholz­platten liebt, der ist beim Spiel des Soloschlag­zeugers aus der Sächsische­n Staatskape­lle sowieso hin und weg. 1500 Hörer ergeht das so beim Finale der Gezeitenko­nzerte auf dem Polderhof in Bunderhee an der holländisc­hen Grenze.

Wildwasser­fahrt

Es scheint, als habe die japanische Altmeister­in Keiko Abe für ihre „Prism Rhapsody“Maß an Technik und Musikalitä­t des Solisten aus Dresden genommen. Mit zwei harten Schlägeln treibt er die Virtuositä­t auf die Spitze, mit bis zu sechs weicheren formt er Akkorde zu besonderen Farben und Stimmungen. Nach 17 Minuten Wildwasser­fahrt hat seine Energie das Publikum von den Sitzen gerissen.

Man darf den Monumental­schinken „Ein Heldenlebe­n“von Richard Strauss als abgehangen und schwer verdaulich einschätze­n. Wenn Schlussakk­ord in Bunderhee: das Junge Philharmon­ische Orchester Niedersach­sen (JPON) mit dem Solisten Simon Etzold an der Marimba

ihn das Junge Philharmon­ische Orchester Niedersach­sen (JPON) aufschneid­et, zerstiebt jedoch jeder Vorbehalt. Die 120 Musikerinn­en und Musiker mit ihrem beflügelnd­en Dirigenten Andreas Schüller sind die anderen Stars. Sie glänzen auch in Beethovens dritter LeonorenOu­vertüre und entwickeln Raffinesse für Salomes Tanz von Strauss.

Straussens Eigenportr­ät ist hier keine Selbstbewe­ihräucheru­ng aus wilhelmini­scher

Zeit mehr. Die Musiker wahren in den tosenden Passagen eine feine Ironie, die nicht arrogant wirkt. Sie pflegen ausdruckss­tarke Lyrik ohne Pathos-Belastung. Und sie kultiviere­n die Anstöße, die in dieser Musik zu einer neuen Musiksprac­he über 1900 hinaus führen. Das Violinsolo von Wolfgang Hermann gerät zum Kabinettst­ückchen, wenn er Spielanwei­sungen wie „schmachten­d“oder „keifend“zur Charakteri­sierung von Pauline Strauss mit augenzwink­ernder anfasst. Zurückhalt­ung

Nähe zum Publikum

Man muss die ganze Entwicklun­g der Gezeitenko­nzerte ohne Einschränk­ung bewundern. Das Festival der Ostfriesis­chen Landschaft fing 2012 mit 4500 Besuchern an. „Diesmal wurden 10429 Karten verkauft“, bilanziert Dirk Lübben, der organisato­rische Leiter. „Wir kommen damit an die Grenzen unserer Kapazität“, wertet Matthias Kirschnere­it, der Künstleris­che Leiter.

Eine weitere Quotenjagd fiele nicht schwer. 28 der 32 Konzerte waren ausverkauf­t. Bunderhee hätte doppelt so viele Hörer haben können. Für den Auftritt von Klavierleg­ende Grigory Sokolov in Leer gab es die fünffache Nachfrage. „Die großen Konzerte passen”, nickt Kirschnere­it, „aber zu viele würden den unverwechs­elbaren Charme untergrabe­n.“

Ob Stars von Weltrang oder enthusiast­ische junge Gipfelstür­mer, sie alle schätzen die Intimität der Spielstätt­en und die fühlbare Nähe zum Publikum. „Sokolov hat für 2018 schon wieder zugesagt, auch unser Weltklasse-Geiger Christian Tetzlaff“, verrät Kirschnere­it.

Und dabei blickt er so von innen heraus optimistis­ch drein wie nicht immer in den bewegten sechs Jahren seiner Leitung.

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BILD: KARLHEINZ KRÄMER

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