Wie sich Vogelstimmen mit zarten Klängen mischen
Kairos Quartett spielt preisgekrönte Kompositionen am Vareler Hafen
VAREL – Zarte, zerbrechliche Klänge, eine Möwe fliegt vorbei, Schleifgeräusche am Korpus der Streichinstrumente, das Zeltdach flattert ein wenig im Wind. Während sich über einem Orgelpunkt erste harmonische Strukturen anbahnen, passieren Schiffe die Schleuse.
So fließen Musik, Umgebung und Natur zusammen im Siegerstück, das jetzt beim dritten Kammermusikabend im Vareler Hafen uraufgeführt wurde. „Vier Bäume“heißt die Komposition der koreanischen Komponistin Song Aa Park, gespielt vom renommierten Kairos Quartett. Der Kompositionswettbewerb wandte sich an Nachwuchskomponisten. Es war spannend, den Uraufführungen unter dem Motto „Klanglandschaften“zuzuhören.
Yan Song aus der Mongolei schuf ein lebhaftes, lautmalerisches Streichquartett „Der Sprung ins kalte Wasser“, in dem die intervallischen Klanggesten wie Vogelstimmen klangen, später wie ganze Schwärme, bis in dem Schlussklang schließlich ein Rabe durch die malerische Bühnenkulisse zu hören war.
Die dritte Uraufführung erforderte ein ganz anderes ästhetisches Empfinden. In „Sanguinante. In nomine“des in Rom lebenden Lorenzo Troiani war ein kontinuierliches Klangband zu hören mit einer eher morbiden Geräuschkulisse: Statt Töne und Klänge gab es ein Schaben, Knarren und Bogenknarzen.
Zudem spielte das glänzend aufgelegte Kairos Quartett zwei Altmeister der Moderne, zuerst mit spannungsvollen Klanggesten und hervorragender rhythmischer Präzision bei den Ostinati in Györgi Kurtags sechssätzigem „Quartetto per archi“von 1959. Dann erklang als Höhepunkt das zweite Streichquartett von Georg Friedrich Haas, komponiert 1989.
Das Kairos Quartett steigerte sich zu einer beeindruckenden sinfonischen Klangfülle. Auf einem Orgelpunkt entwickelte sich ein Klangkontinuum bis in die entfernter liegenden Naturtöne. Dieser Klangraum wurde ausgefüllt durch abwärtsgehende Glissandi, die wie Schiffssirenen klangen, durch Mikrointervalle von größter Intensität und gegen Ende von nachromantischen, Harmonien.
Auch dieses dritte Konzert der Kammermusiktage am Vareler Hafen war ausverkauft. Das Konzept, Neues und Ungehörtes zum Erklingen zu bringen, erfordert vom Veranstalter Offenheit und Mut zum Risiko. Wer es scheut, hat nicht die Möglichkeit zu solchen eindringlichen und anregenden Erfahrungen, wie sie dieses Konzert vermittelte. Man darf gespannt sein, was der „Verein zur Förderung der Kammermusik am Vareler Hafen“2018 präsentieren wird. sphärischen