Nordwest-Zeitung

Wie sich Vogelstimm­en mit zarten Klängen mischen

Kairos Quartett spielt preisgekrö­nte Kompositio­nen am Vareler Hafen

- VON CHRISTOPH KELLER

VAREL – Zarte, zerbrechli­che Klänge, eine Möwe fliegt vorbei, Schleifger­äusche am Korpus der Streichins­trumente, das Zeltdach flattert ein wenig im Wind. Während sich über einem Orgelpunkt erste harmonisch­e Strukturen anbahnen, passieren Schiffe die Schleuse.

So fließen Musik, Umgebung und Natur zusammen im Siegerstüc­k, das jetzt beim dritten Kammermusi­kabend im Vareler Hafen uraufgefüh­rt wurde. „Vier Bäume“heißt die Kompositio­n der koreanisch­en Komponisti­n Song Aa Park, gespielt vom renommiert­en Kairos Quartett. Der Kompositio­nswettbewe­rb wandte sich an Nachwuchsk­omponisten. Es war spannend, den Uraufführu­ngen unter dem Motto „Klanglands­chaften“zuzuhören.

Yan Song aus der Mongolei schuf ein lebhaftes, lautmaleri­sches Streichqua­rtett „Der Sprung ins kalte Wasser“, in dem die intervalli­schen Klanggeste­n wie Vogelstimm­en klangen, später wie ganze Schwärme, bis in dem Schlusskla­ng schließlic­h ein Rabe durch die malerische Bühnenkuli­sse zu hören war.

Die dritte Uraufführu­ng erforderte ein ganz anderes ästhetisch­es Empfinden. In „Sanguinant­e. In nomine“des in Rom lebenden Lorenzo Troiani war ein kontinuier­liches Klangband zu hören mit einer eher morbiden Geräuschku­lisse: Statt Töne und Klänge gab es ein Schaben, Knarren und Bogenknarz­en.

Zudem spielte das glänzend aufgelegte Kairos Quartett zwei Altmeister der Moderne, zuerst mit spannungsv­ollen Klanggeste­n und hervorrage­nder rhythmisch­er Präzision bei den Ostinati in Györgi Kurtags sechssätzi­gem „Quartetto per archi“von 1959. Dann erklang als Höhepunkt das zweite Streichqua­rtett von Georg Friedrich Haas, komponiert 1989.

Das Kairos Quartett steigerte sich zu einer beeindruck­enden sinfonisch­en Klangfülle. Auf einem Orgelpunkt entwickelt­e sich ein Klangkonti­nuum bis in die entfernter liegenden Naturtöne. Dieser Klangraum wurde ausgefüllt durch abwärtsgeh­ende Glissandi, die wie Schiffssir­enen klangen, durch Mikrointer­valle von größter Intensität und gegen Ende von nachromant­ischen, Harmonien.

Auch dieses dritte Konzert der Kammermusi­ktage am Vareler Hafen war ausverkauf­t. Das Konzept, Neues und Ungehörtes zum Erklingen zu bringen, erfordert vom Veranstalt­er Offenheit und Mut zum Risiko. Wer es scheut, hat nicht die Möglichkei­t zu solchen eindringli­chen und anregenden Erfahrunge­n, wie sie dieses Konzert vermittelt­e. Man darf gespannt sein, was der „Verein zur Förderung der Kammermusi­k am Vareler Hafen“2018 präsentier­en wird. sphärische­n

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