Nordwest-Zeitung

Mangelhaft­e Untersuchu­ng im Kreissaal

250.000 Schmerzens­geld nach ärztlichen Behandlung­sfehlern bei Geburt

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Wird vor der Geburt ein gesundheit­liches Risiko beim Fötus festgestel­lt, das nicht ausreichen­d ärztlich untersucht wird und eine Behinderun­g zur Folge hat, kann eine Schmerzens­geldforder­ung rechtens sein.

Der Fall:

In einem am 04.04.2017, 26 U 88/16 entschiede­nen Fall hatte sich die Mutter des späteren Klägers wegen von ihr wahrgenomm­ener vermindert­er Kindsbeweg­ungen in das von der Beklagten getragene Krankenhau­s begeben. Dort wurde sie um kurz vor Mitternach­t in den Kreissaal aufgenomme­n. Zunächst wurde ein CTG geschriebe­n, dass eine Baseline von 130 bei einer Oszillatio­n von unter 10 Schlägen pro Minute auswies. Es wurden eine Lageveränd­erung und ein Weckversuc­h vorgenomme­n. Es folgten verschiede­ne Untersuchu­ngen, allerdings keine permanente CTG Überwachun­g. Der Kläger wurde sodann um 5:03 Uhr entbunden. Er entwickelt­e in der Folgezeit eine allgemeine Entwicklun­gsstörung, expressive Spracheent­wicklungss­törung, ebenfalls motorische Koordinati­onsstörung­en und mittlerwei­le auch eine Epilepsie.

Das Urteil:

Auf Grundlage des eingeholte­n Sachverstä­ndigenguta­chtens stellte das Gericht grobe Behandlung­sfehler fest. Hierzu gehörte das Unterlasse­n einer permanente­n CTGÜberwac­hung. Ohne dauerhafte Überwachun­g würde sich das Zuwarten mit dem Kaiserschn­itt bei von vorneherei­n auffällige­m CTG als eine Art Blindflug darstellen, der mit gravierend­sten Risiken für das ungeborene Kind behaftet sei. Zudem wäre eine ständige ärztliche Präsenz nebst ärztlicher Kontrolle alle 30 Minuten notwendig gewesen. Eine Fetalblutg­asanalyse war gar nicht durchgefüh­rt worden. Es lägen deshalb Fehler vor, bei denen eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlung­sregeln oder gesicherte medizinisc­he Erkenntnis­se verstoßen wurde, und die aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständli­ch erscheinen, weil er einem Arzt schlechter­dings nicht unterlaufe­n darf.

Das OLG Hamm erkannte dem Kläger ein Schmerzens­geld in Höhe von insgesamt 250.000 Euro zu. Dabei berücksich­tigte es, dass das Kind an einer allgemeine­n Entwicklun­gsstörung auch im Bereich der geistigen Entwicklun­g leidet und nach Einschätzu­ng des Sachverstä­ndigen vom Intellekt her bei entspreche­nder Förderung allenfalls die Stufe eines 7 bis 8-jährigen Kindes erreichen könne. Rechtsanwa­lt Fachanwalt für Arbeitsrec­ht Fachanwalt für Medizinrec­ht www.simon-schubert.net

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