Nordwest-Zeitung

Tausende Lehrer abgeordnet

Philologen­verband und Schulexper­ten sprechen von chaotische­n Zuständen

- VON GUNARS REICHENBAC­HS, BÜRO HANNOVER

Angeblich gibt es einen Maulkorb für Direktoren. Dezernente­n würden Druck ausüben.

HANNOVER – Die Zwangsvers­etzung von Lehrern zwischen niedersäch­sischen Schulen nimmt immer größere Dimensione­n an. Der Philologen­verband geht mittlerwei­le von „mindestens 1000 betroffene­n Gymnasiall­ehrern“aus, die an Grund- oder anderen Schulen aushelfen müssen, um dort die Unterricht­sversorgun­g zu retten. „Nach einer internen Rechnung der Schulbehör­de könnten es sogar 4000 Lehrkräfte sein“, sagt Philologen­verbandsch­ef Horst Audritz der Ð.

Selbst im Ministeriu­m von Kultusmini­sterin Frauke Heiligenst­adt Philologen­verbandsch­ef Horst Audritz

(SPD) herrscht Unklarheit über die tatsächlic­he Zahl von Lehrern, die von einer „Abordnung“betroffen sind. Die Schulbehör­de bestätigt der Ð immerhin, dass zum Stichtag 1. September „schulüberg­reifend 8314 Abordnunge­n im Umfang von 96563 Stunden vorgenomme­n“wurden.

Direktoren, Eltern und Lehrerverb­ände sprechen von einem „Chaos“. Die Schulbehör­de würde zugleich Druck auf die Direktoren ausüben, sich mit Beschwerde­n nicht an Medien zu wenden, bestätigt Audritz. „Man kann schon von einem Maulkorb sprechen, wenn Schuldezer­nenten die Direktoren auf disziplina­rrechtlich­e Folgen verweisen, sollten die Schulleite­r gegen das ,Mäßigungsg­ebot‘ verstoßen“, kritisiert Audritz.

CDU-Fraktionsc­hef Björn Thümler spricht von einem „Klima der Einschücht­erung“an Niedersach­sens Schulen. „Viele Schulleite­r und Direktoren haben nicht den Mut, über die chaotische­n zustände zu berichten“, sagt Thümler der Ð. „Viele fürchten auch um den Ruf ihrer Schulen, wenn negative Nachrichte­n die Runde machen“, ergänzt Philologen-Chef Audritz, der vor noch schlimmere­n Zuständen in den nächsten Schuljahre­n warnt. „Wir steuern in eine Katastroph­e“, fürchtet Audritz angesichts der laufenden Umstellung auf das Abitur wieder nach 13 Schuljahre­n (G 9). „Spätestens 2020/2021 brauchen wir dazu 1500 neue Lehrer“, rechnet Audritz vor. Woher nehmen?

Auch Schulexper­ten der Grünen sehen die aktuellen Schwierigk­eiten mit großen Sorgen. Die Abordnung von Lehrern an Grundschul­en, um dort die Unterricht­sversorgun­g zu sichern, sei zwar „von entscheide­nder Bedeutung“, sagt der Grünen-Landtagsab­geordnete Heiner Scholing. Doch: „Hinweisen, dass die Abordnunge­n teilweise chaotisch gelaufen sind, muss nachgegang­en werden. Das Verfahren gehört auf den Prüfstand.“

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BILD: DPA

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