Geschmack des Sommers in Gläsern
Einmachen und Einkochen liegen im Trend – Kurse im Regionalen Umweltbildungszentrum
Es blubbert wieder in Deutschlands Töpfen: Das Einmachen oder Einkochen erlebt eine Renaissance. 125 Jahre nach der Erfindung durch Rudolf Rempel.
GANDERKESEE – „Ran an die Gläser!“– „Spaß in der Küche!“– „Den Sommer konsumieren!“Mit derart mehr oder weniger pfiffigen Slogans heizen Deutschlands Discounter den wiederentdeckten Spaß am Einmachen an. Zigtausende Blogs feiern im Internet den „Food-Trend“aus Uromas Küche. TV-Köche setzen auf „Urgroßmutters bewährte Tricks“. Auf sogenannten „Swap-Partys“tauschen passionierte Einwecker ihr Eingekochtes aus.
Einkoch-Pionier Weck
Hoch die Gläser: Rüdiger Mengel, Prokurist und Historiker beim Einkoch-Pionier Weck im beschaulichen badischen Wehr-Öflingen, kann seine Freude kaum verbergen: „Die Enkel-Generation interessiert sich wieder für das Einwecken.“
Im Landkreis Oldenburg hat der Trend schon Fuß gefasst: „Wirf mich nicht weg! – Dein Essen!“Unter diesem Motto sensibilisiert das Regionale Umweltbildungszentrum (RUZ) Hollen in der Gemeinde Ganderkesee (Kreis Oldenburg) Schüler für umweltschonende Ernährung. Dort lernen Kinder und Jugendliche alte Methoden des Konservierens wie Einwecken, Trocknen, Einsalzen, oder Einzuckern kennen. Das Vorhaben setze „einen wichtigen Impuls gegen die WegwerfMentalität“, sagt Marina Becker-Kückens, Vorsitzende des RUZ. Ein Projekt mit Erfolg: Schüler der Berufsbildenden Schule Delmenhorst erstellten ein regionales „Restekochbuch“mit dem Titel „Das Beste vom Reste“. „Sogar ein Schüler-Bauerngarten wurde anlegt“, so Becker-Kückens.
Anfang der 1970er Jahre war das Einkochen im Glas aus der Mode gekommen. Gefriertruhen hatten die Haushalte erobert. Tiefkühlkost und Fertiggerichte verdrängten die mühsam zubereiteten Kellervorräte. Fast ging den Glasbläsern die Puste aus. Weck-Prokurist Mengel erinnert sich: „Nur noch zwei Millionen Haushalte blieben uns treu.“Ein historisches Tief. Heute konservieren wieder fast sechs Millionen deutsche Haushalte den Geschmack des Sommers.
Die Hitzekonservierung in Gläsern ist nur eine von vielen Methoden, die Fäulnis von Lebensmitteln zu verhindern. So wurden in früherer Zeit Lebensmittel aufwendig durch Pökeln und Räuchern, Dörren und Säuern, Trocknen und Zuckern konserviert.
Mit seinem „Papinschen Topf“erzeugt 1690 ein französischer Physiker das erste Vakuum mit Hilfe von Wasserdampf: Denis Papin (1647–1713). Doch seine Erfindung verschwindet sangund klanglos von der Bildfläche.
Clevere Vermarktung
Erst die Weltherrschaftspläne von Napoleon Bonaparte bringen wieder Schwung in die Töpfe: 1795 lobt er einen Preis von 12 000 Goldfrancs für die Erfindung einer transportablen Konserve aus. Der Imperator will die Versorgung seiner Soldaten im Winter sichern. Das gelingt Nicolas Appert, Koch am Hof des Herzogs von Zweibrücken.
Es vergehen aber noch etliche Erntesommer, ehe ein Rheinländer die Erkenntnisse Papins und Apperts kombiniert und zur Patentreife bringt: Rudolf Rempel (1859–1893), Chemiker bei einer Gelsenkirchener Benzolfabrik. An freien Sonntagen experimentiert der Tüftler unermüdlich in seinem HeimLabor. Rempel schleift von Pulvergläsern aus dem Laboratorium den Rand ab, setzt zwischen Glas und Deckel einen Gummiring und entwickelt einen speziellen Einkochtopf. 1892 meldet er seinen „Apparat zum selbstständigen Schließen und Entlüften Wieder im Trend: Obst und Gemüse in Einweckgläsern von Sterilisiergefäßen“zum Patent an.
Mit Rempels Kochapparaten und den Bügel-Gläsern beginnt die Revolution des Einkochens: Unter die ersten Kunden mischt sich ein gewisser Johann Carl Weck. Der Kaufmann aus Schneidhain im Taunus kauft 1895 Rempels Patent auf. Mit badischem Obst in Rempelschen Einkochgläsern will der AntiAlkoholiker und strenge Vegetarier gegen die „Volksseuche Alkohol“zu Felde ziehen. Am 1. Januar 1900 gründen Weck und der Kaufmannssohn Georg van Eyck (1869–19519) die Firma „J. Weck und Compagnie“
Van Eyck ist ein cleverer Vermarktungsstratege: Mit Postwurfsendungen, Zeitungsinseraten und Plakaten umwirbt der Jungunternehmer Deutschlands Hausfrauen. „Wanderlehrerinnen“ziehen, bepackt mit Gläsern, Töpfen und Thermometern, durchs Land. Sie referieren in Landwirtschafts- und Klosterschulen, Spitälern und Pfarrhäusern. Die waren ganz modern, findet Mengel. „Heute hätten die einen Beamer.“
Den Welterfolg seiner Erfindung hat Rudolf Rempel nicht mehr erlebt: Er stirbt 1893, erst 34jährig, an Tuberkulose.