Mit dem Dritten sieht man besser
Weser-Ems-Hallen waren am Wochenende das spirituelle Energiezentrum der Stadt
Spiritualität und Gesundheit standen hier im Mittelpunkt. Glückseligkeit scheint allerdings kostspielig zu sein.
OLDENBURG – Kerzen, Glaskugeln, Klangschalen, Pendel, Edelsteine – jeder Aussteller hat seine eigenen Hilfsmittelchen, um wahlweise mit dem Licht, den Engeln, dem Kosmos oder den Energien Kontakt aufzunehmen. Die Besucher stöberten durch die ausgelegte Literatur, hörten Vorträge wie „Lichtmeisterin Xendradine löst Lichtblockaden“oder „Mandalas verändern Deine Welt“und nahmen diverse Dienstleitungen in Anspruch.
In frühere Leben reisen
Karl Heinz begleitet seit 25 Jahren Menschen in deren Vergangenheit und Zukunft. Er bildet auch zum Reinkarnationsleiter aus – zwei Tage dauert der Kurs. Das Handlesen brachte dem Maschinenbauer damals ein Rumäne bei, der im Gegenzug von ihm Deutsch lernen wollte.
Heute genügt Karl Heinz ein Blick auf die Hände, um herauszufinden, dass der dazugehörige Mensch mehr als 400 Leben geführt haben muss, leicht übersäuert, an Kieselerde unterversorgt und sensibel ist. Auch dass er ein Buch schreiben und einmal die Blasenschwäche der Großmutter erben wird. Die derzeitigen Nackenschmerzen stammen übrigens aus einem Leben während des Mittelalters. Als Hexe muss man es seiner Zeit wohl ebenfalls nicht immer einfach gehabt haben.
Sabine hatte als Notariatsangestellte gearbeitet, bis die Engel ihr nahelegten, zu kündigen.
Heute ist sie als Trance-Medium tätig. Während die meisten Menschen sich am liebsten mit dem WLAN verbinden, hat sie stets Zugang zu einem besonderen Kanal und nimmt die Zuhörer mit auf eine Reise: Mit geschlossenen Augen und vereinter Energie ist man im Vortragssaal bemüht, die 79 Strahlen der Regenbogenkristallquelle in der Raummitte ausfindig zu machen, sich einen Strahl in seiner individuellen Farbe zu suchen und diesen letztlich einzuatmen.
Eine Frau in der letzten Reihe nimmt ihre erfolglose Suche offenbar mit Humor. Mehrmals muss sie laut auflachen und verlässt schließlich den Saal.
Was Aura-Chirurgie ist, wird kurzerhand demonstriert. „Die geistige Welt hat dich ausgesucht! Wie heißt du?“– „Eva“, sagt Eva und nimmt auf einem Stuhl Platz. Eva wird angewiesen, die Augen zu schließen und Sabines Hände und Arme schwingen durch die Luft. Ihre Diagnose: „Dir wächst ein Baum bis zum ersten Wurzelchakra, mindestens seit drei Inkarnationen.“
Um Eva einiges an Last zu nehmen, möchte Sabine nun 50 Prozent der Festplatte löschen – negative Erlebnisse aus Kindheit und vergangenen Tagen. Wieder schließt Eva ihre Augen.
Sabine nimmt nun Hölzer in die Hände, die wie OP-Besteck geordnet in verschiedenen Formen und auf einem Tisch liegen. Dann dasselbe Prozedere. „Fühlst du dich leichter?“Nein, Eva fühlt sich schwerer. Da müsse sich einiges erst wieder legen, außerdem sei der Zeitrahmen zu knapp. „Wir sehen uns nachher an meinem Stand.“
Ideelle Wertschöpfung
Warm werden nicht nur die Besucher dank der ganzen Energien, sondern auch das EC-Gerät an so manchem Stand. 27 Euro kostet hier ein Engel-Spray, für das Handlesen dort gibt man 50 Euro aus den selbigen und wer seine Aura in Farbe auf einem Foto haben und erklärt bekommen möchte, sollte 55 Euro investieren.
Aber da schnöder Mammon allein noch keinen Menschen glücklich gemacht hat, dürfte der Verlust ein Gewinn sein – quasi. Zum Schluss zwei kostenlose Tipps: „Immer genug Wasser trinken“und „Bäume geben Kraft“.
Nach Energieaustausch, interessanten Gesprächen und neuen Inspirationen für das Seelenwohl dürfte der Start in die neue Woche bestens funktionieren.