Nordwest-Zeitung

Merkels Selbstkrit­ik, Seehofers Drohungen

Wie CDU und CSU auf den Denkzettel reagieren

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

BERLIN 3 Bundeskanz­lerin Angela Merkel lächelt in der CDU-Parteizent­rale, verkneift sich jedoch jede Siegerpose angesichts des desaströse­n Ergebnisse­s der Bundestags­wahl. „Ich übernehme die Verantwort­ung“, sagt sie. Die Entwicklun­g „ist auch mit mir verbunden als Person“, so die Kanzlerin. „Und zwar ganz offensicht­lich.“Selbstkrit­ik, aber kein Kurswechse­l: Die „Grundentsc­heidungen“ihrer umstritten­en Flüchtling­spolitik halte sie weiter für „richtig“. Mit Blick auf den Triumph der AfD räumte sie ein: Es gebe Herausford­erungen durch illegale Migration, Probleme, die nicht gelöst seien. Das habe der AfD in die Hände gespielt. Deren Wähler will sie zurückhole­n, aber nicht durch Gespräche über die AfD. Überläufer der Rechtspopu­listen im Bundestag, werde sie „mit Sicherheit nicht“in die Unionsfrak­tion holen, legt sich Merkel fest.

Die Schlappe vom Sonntag – ein gefährlich­er Sieg für Angela Angeschlag­en: CSU-Spitzenkan­didat Joachim Herrmann (links) und CSU-Chef Horst Seehofer

Merkel? Ernst ist die Kanzlerin, lässt aber keine Selbstzwei­fel erkennen und auch keine Absicht, nicht mehr volle vier Jahre regieren zu wollen. „Natürlich“bleibe ihre Zusage bestehen, sie werde die Amtszeit ausfüllen.

Es rumort am Montag in der CDU, so mancher in der Vorstandss­itzung ist sauer auf die Kanzlerin, gibt ihr eine Mitschuld am schlechtes­ten Ergebnis seit 1949. Es kommt aber nicht zum Scherbenge­richt. Aufstand und Protest bleiben aus. Mit einem anderen Kandidaten wäre es nicht

besser gelaufen, heißt es einmütig. „Wir brauchen keinen Ruck nach rechts“, gibt CDUVize Julia Klöckner ihrer Chefin Rückendeck­ung gegen Attacken aus München.

Dort hatte CSU-Chef Horst Seehofer schon am Wahlabend gefordert, die Union müsse „die rechte Flanke schließen“. Am Montag kommen dann Gerüchte auf, der bayerische Ministerpr­äsident stelle die Fraktionsg­emeinschaf­t infrage – dann stünde Merkel auch mit FDP und Grünen ohne Mehrheit da. Ein Hauch von Kreuth, wo CSU-Übervater Franz Josef Strauß 1976 den Aufstand gegen die Schwesterp­artei geprobt hatte? Bei der CDU reagiert man gelassen auf das „Geplänkel aus München“, und Seehofer selbst stellt rasch klar: Er habe die Fraktionsg­emeinschaf­t nicht infrage gestellt, er habe sich nur die Billigung des CSU-Parteivors­tandes einholen wollen, bevor an diesem Dienstag in Berlin der Pakt erneuert werden soll.

Dann werden auch erste Weichen für den neuen Bundestag gestellt: CDU-Mann Volker Kauder soll wieder zum Unions-Fraktionsc­hef gewählt werden. Alexander Dobrindt, bislang Bundesverk­ehrsminist­er, wird die Führung der CSU-Landesgrup­pe übernehmen. Und EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger (CDU) brachte einen weiteren Vorschlag vor: Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble solle neuer Bundestags­präsident werden. Angesichts der hitzigen Debatten, die dem Hohen Haus bevorstünd­en, wäre das CDU-Urgestein „der ideale Kandidat“.

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DPA-BILD: HOPPE

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