Merkels Selbstkritik, Seehofers Drohungen
Wie CDU und CSU auf den Denkzettel reagieren
BERLIN 3 Bundeskanzlerin Angela Merkel lächelt in der CDU-Parteizentrale, verkneift sich jedoch jede Siegerpose angesichts des desaströsen Ergebnisses der Bundestagswahl. „Ich übernehme die Verantwortung“, sagt sie. Die Entwicklung „ist auch mit mir verbunden als Person“, so die Kanzlerin. „Und zwar ganz offensichtlich.“Selbstkritik, aber kein Kurswechsel: Die „Grundentscheidungen“ihrer umstrittenen Flüchtlingspolitik halte sie weiter für „richtig“. Mit Blick auf den Triumph der AfD räumte sie ein: Es gebe Herausforderungen durch illegale Migration, Probleme, die nicht gelöst seien. Das habe der AfD in die Hände gespielt. Deren Wähler will sie zurückholen, aber nicht durch Gespräche über die AfD. Überläufer der Rechtspopulisten im Bundestag, werde sie „mit Sicherheit nicht“in die Unionsfraktion holen, legt sich Merkel fest.
Die Schlappe vom Sonntag – ein gefährlicher Sieg für Angela Angeschlagen: CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann (links) und CSU-Chef Horst Seehofer
Merkel? Ernst ist die Kanzlerin, lässt aber keine Selbstzweifel erkennen und auch keine Absicht, nicht mehr volle vier Jahre regieren zu wollen. „Natürlich“bleibe ihre Zusage bestehen, sie werde die Amtszeit ausfüllen.
Es rumort am Montag in der CDU, so mancher in der Vorstandssitzung ist sauer auf die Kanzlerin, gibt ihr eine Mitschuld am schlechtesten Ergebnis seit 1949. Es kommt aber nicht zum Scherbengericht. Aufstand und Protest bleiben aus. Mit einem anderen Kandidaten wäre es nicht
besser gelaufen, heißt es einmütig. „Wir brauchen keinen Ruck nach rechts“, gibt CDUVize Julia Klöckner ihrer Chefin Rückendeckung gegen Attacken aus München.
Dort hatte CSU-Chef Horst Seehofer schon am Wahlabend gefordert, die Union müsse „die rechte Flanke schließen“. Am Montag kommen dann Gerüchte auf, der bayerische Ministerpräsident stelle die Fraktionsgemeinschaft infrage – dann stünde Merkel auch mit FDP und Grünen ohne Mehrheit da. Ein Hauch von Kreuth, wo CSU-Übervater Franz Josef Strauß 1976 den Aufstand gegen die Schwesterpartei geprobt hatte? Bei der CDU reagiert man gelassen auf das „Geplänkel aus München“, und Seehofer selbst stellt rasch klar: Er habe die Fraktionsgemeinschaft nicht infrage gestellt, er habe sich nur die Billigung des CSU-Parteivorstandes einholen wollen, bevor an diesem Dienstag in Berlin der Pakt erneuert werden soll.
Dann werden auch erste Weichen für den neuen Bundestag gestellt: CDU-Mann Volker Kauder soll wieder zum Unions-Fraktionschef gewählt werden. Alexander Dobrindt, bislang Bundesverkehrsminister, wird die Führung der CSU-Landesgruppe übernehmen. Und EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) brachte einen weiteren Vorschlag vor: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble solle neuer Bundestagspräsident werden. Angesichts der hitzigen Debatten, die dem Hohen Haus bevorstünden, wäre das CDU-Urgestein „der ideale Kandidat“.