Nordwest-Zeitung

Es wird eng unter der Kuppel

Welche Auswirkung­en das große Stühlerück­en hat

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN VON ELENA METZ UND ANDRÉ STAHL

Bei Jamaika müssen alle Kompromiss­e machen. Seine FDP werde man aber weiterhin erkennen können, verspricht Parteivize Wolfgang Kubicki.

FRAGE: Herr 4ubicki, im Wahlkampf haben sich FDP und Grüne bekämpft. Ist eine Jamaika!Koalition im Bund überhaupt möglich? KUBICKI: Wenn wir mit einem Wahlergebn­is wie diesem nicht umgehen können, haben wir ein demokratis­ches Problem. Die Jamaika-Koalition in Kiel funktionie­rt. Wir haben uns zusammenge­rauft und verfügen inzwischen über eine belastbare Vertrauens­basis. Das gibt es im Bund bisher noch nicht. Die programmat­ischen Unterschie­de sind groß. Damit müssen wir jetzt umgehen. Am Ende werden sich weder die Union noch FDP oder Grüne zu 100 Prozent durchsetze­n können. Verantwort­liche Demokraten dürfen nicht den Kopf in den Sand stecken. Alle werden Kompromiss­e machen müssen. FRAGE: Was sind die ent! scheidende­n Bedingunge­n derFDP? KUBICKI: Ohne ein Einwanderu­ngsoder Zuwanderun­gsgesetz wird es mit uns keine Koalition geben. Wir brauchen eine Beschleuni­gung der Digitalisi­erung und des Breitband-Ausbaus. Auch das sind für uns wichtige Anliegen. Wir werden in aller Ruhe und Gelassenhe­it die Gespräche führen und nicht um jeden Preis regieren. Unsere Wähler können sich darauf verlassen, dass sie uns in jedem Fall wiedererke­nnen werden – egal, welche Rolle wir übernehmen. FRAGE: Ist die FDP schon wieder bereit fürs Regieren? KUBICKI: Wir haben jetzt in drei Bundesländ­ern gezeigt, dass wir erfolgreic­h Koalitione­n zustande bringen können. Unsere oberste Priorität ist nicht, in einer Regierung zu sitzen, sondern die Politik zu verändern. Deutschlan­d braucht mehr wirtschaft­liche Leistungsf­ähigkeit und innere Liberalitä­t.

Nicht nur die Sitzordnun­g bereitet Probleme: Bevor die Handwerker anrücken, müssen die künftig sechs Fraktionen heikle Fragen auch noch untereinan­der kl;ren.

BERLIN – Exakt 709 Abgeordnet­e werden dem neuen Bundestag angehören. Das ist der größte Bundestag in der Geschichte der Bundesrepu­blik. Der bisherige Rekord lag bei 672 Mandaten im Jahr 1994. Es gilt auch als größtes Parlament westlicher Demokratie­n. Zuletzt waren 631 Abgeordnet­e im Bundestag vertreten. Für Kritiker ist fraglich, ob das Volk nun besser repräsenti­ert wird. Weit teurer werde es allemal, aber nicht unbedingt effiziente­r, heißt es.

Dies ist Folge des Wahlrechts von 2013 – durch Überhangun­d Ausgleichs­mandate. Überhangma­ndate entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmand­ate erringt als ihr nach ihrem Zweitstimm­en-Anteil eigentlich zustehen. Dies trifft diesmal vor allem bei der CSU zu. Diese ungleiche Chancenver­teilung wird durch Ausgleichs­mandate kompensier­t. Das Problem war bekannt, eine Wahlrechts­reform aber scheiterte.

Reicht überhaupt der Platz im Plenarsaal

Ja. Da ist durchaus noch Luft. Schließlic­h fanden dort auch schon 1260 Wahlleute Platz – zuletzt, als die Bundesvers­ammlung im Februar 2017 den Bundespräs­identen wählte.

Geht es gleich mit den Umbauarbei­ten los

Nein. Auf das Startsigna­l für den Umbau des Plenarsaal­s, der Büros und der Fraktionse­bene müssen die Handwerker noch warten. Davor sind einige politische Entscheidu­ngen zu fällen. „Die Diskussion­en darüber, wer wo sitzt, werden in den Fraktionen geführt“, heißt es in der Bundestags­verwaltung. Kurz vor der konstituie­renden Sitzung des Bundestags werde der Umbau beginnen. Die ist laut Grundgeset­z spätestens am 30. Tag nach der Wahl, also spätestens am 24. Oktober.

Was passiert in der Übergangsz­eit

Eine wichtige Rolle spielt der Ältestenra­t, der aus dem bisherigen Bundestags­präsidente­n Norbert Lammert (CDU), seinen Stellvertr­etern sowie 23 weiteren Abgeordnet­en besteht. Das Gremium ist dafür zuständig, zwischen den Fraktionen zu vermitteln und die Verteilung etwa der Räume zu regeln. Doch der eigentlich­e Ältestenra­t muss auch erst noch gebildet werden – ebenfalls spätestens 30 Tage nach der Wahl. Solange vermittelt zwischen den Fraktionen ein sogenannte­r Vor-Ältestenra­t.

Und wie könnte die Sitzordnun­g aussehen

Würde die Fraktion der rechtspopu­listischen AfD vom Rednerpult aus gesehen am rechten Rand des Plenarsaal­s platziert – neben Union und FDP –, würde sie direkt neben der Regierungs­bank sitzen. Am linken Rand wiederum würde sie der Linksfrakt­ion deren symbolträc­htigen Platz streitig machen. Und der Platz in der Mitte wiederum dürfte unter anderem der SPD nicht passen. Denn die Mitte der Gesellscha­ft repräsenti­ert die AfD – aus Sicht der anderen Parteien – eher nicht.

Wo werden die Fraktionen untergebra­cht

Auch dies müssen die Fraktionen unter sich klären. Bisher reichte dafür die Fraktionse­bene im denkmalges­chützten Reichstags­gebäude. In jeder der vier Ecken unter den vier Türmen kam eine Fraktion unter. Jetzt muss auch Platz für AfD und FDP gefunden werden – notfalls sogar für zwei konkurrier­ende AfDGruppie­rungen. Es kam schon einmal vorher, dass sich Linke und Grüne einen Fraktionss­aal teilen mussten. Aber diesmal ist die Sache wohl komplizier­ter.

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DPA-BILD: VON JUTRCZENKA

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