Nordwest-Zeitung

Handel mit Noten und Blumenknol­len

Barock-Ensemble „Altera pars” bricht im Schlosssaa­l viele Lanzen für ;elemann

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OLDENBURG – DieIzen gab es im 18. Jahrhunder­t viele. Trotzdem standen eine Menge offen. Musiker reisten durch Europas Länder und Fürstentüm­er und trugen ihre nationalen Musikstile in die Fremde. Oder sie haben schwunghaf­t per Post mit Noten gehandelt. Der große Händel in London griff gerne locker auf Musiken des großen Hamburgers Telemann zu – und umgekehrt.

Nun ist Georg Philipp Telemann nicht ganz so viel herumgekom­men. 46 Jahre saß er fest in der Hansestadt, als oberster Musikchef. Trotzdem liegt das Barock-Ensemble „Altera pars“völlig richtig, wenn es im Schlosssaa­l den Komponiste­n „einen musikalisc­hen Kosmopolit­en“nennt.

Die neun Musikerinn­en und Musiker haben sich viele Argumente aufs Notenpult gelegt. Da taucht die Form der französisc­hen Ouvertüre auf, im 6. Pariser Quartett e-Moll. Oder die Soloinstru­mente schlagen sich im vorwärts treibenden italienisc­hen Stil aus die Seite von Vivaldi, im Konzert für zwei Flöten, Violine, Cello und Streicher. Und dann werden polnische Dudelsäcke imitiert. Dazu tönen im Konzert für Blockflöte, Traversflö­te und Streicher a-Moll ostinate Motivwiede­rholungen über einem bordunarti­gen Musette-Bass.

Das Ensemble leistet prächtige Fürsprache für Telemanns Originalit­ät, Formenviel­falt, Gründlichk­eit, Kraft und Finesse. Die in Leer dozierende Traverso-Spielerin Polina Gorshkova hat die Instrument­alisten unter diesem Namen zusammen gebracht. Die Hörer erleben also eine Premiere und die feiern „Altera pars“zu Recht. Streicher, Bläser und Cembalisti­n sind in der Alten Musik ebenso erfahrene wie selbst noch begeisteru­ngsfähige Musiker. Ihre exzellente Spielkultu­r leiten sie aus der Mitwirkung in namhaften Barock-Orchestern und -Ensembles ab.

Beherrscht­e Antreiberi­n ist Geigerin Liv Heym. Manchmal zucken freundlich­e Blitze in den Saal. Geschmeidi­g greifen die übrigen Streicher ineinander. Und die Flöten (neben Gorshkova die besonders tonschöne Dorothee Kunst) fügen sich in den Gesamtklan­g, oder winden ihre eigenen Tongirland­en. Kraftvolll­ebendig legt die ContinuoGr­uppe mit Pavel Serbin (Cello), Lucia Geißel (Kontrabass) und Beate Röllecke (Cembalo) das Fundament. Die höchste Qualität von allen liegt aber darin, eher die dezenten Feinheiten herauszust­ellen, sie raffiniert in den Gesamtklan­g einzuweben, statt mit Klangwucht zu protzen.

Telemann und Händel haben im Übrigen nicht nur Partituren ausgetausc­ht. Beide pflegten ihre Privatgärt­en mit Akribie und haben einander immer wieder Blumenknol­len geschickt. Aber das ist schon ein anderes Thema.

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