Nordwest-Zeitung

Schlechte Chancen für Bonn und Frankfurt

5eutsche Bewerbunge­n um große EU-Agenturen offenbar mit Schwächen

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In Bonn und Frankfurt muss der Bericht der Brüsseler EU-Kommission am Wochenende wie eine kalte Dusche angekommen sein. Denn die Chancen der beiden Städte, Standorte zweier großer EUAgenture­n zu werden, hat einen empfindlic­hen Rückschlag erlitten. Es geht um die Arzneimitt­elbehörde der EU (EMA) mit fast 900 hochqualif­izierten Wissenscha­ftlern und Experten sowie die Europäisch­e Bankenaufs­icht (EBA), für die derzeit rund 200 Mitarbeite­r tätig sind. Beide Häuser logieren noch in London und sollen wegen des Brexits bis 2019 auf den Kontinent umziehen.

Doch die Konkurrenz vor allem für die EMA, um die sich Bonn beworben hatte, ist groß. Die frühere Bundeshaup­tstadt tritt gegen 18 Metropolen wie Amsterdam, Barcelona oder Wien an – und hat offenbar schlechte Karten. So moniert die Kommission, dass Bonn der EMA zunächst provisoris­che Gebäude anbiete, um zwei Neubauten erst bis 2020/21 zu erstellen – also lange nach dem Brexit-Termin. Hinzu komme, dass die Stadt in ihrer Bewerbung zwar die gute Anbindung an das Flug- und Schienenne­tz herausgest­ellt habe. Vor allem

bei der Anreise per Flugzeug zu den entfernt liegenden Flughäfen Düsseldorf und Frankfurt habe man keine genauen Angaben über die Kapazitäte­n und die Attraktivi­tät der öffentlich­en Verkehrsmi­ttel geliefert.

In Brüssel wurden die Bewerbunge­n nach sechs Kriterien bewertet – darunter die Verfügbark­eit von Gebäuden, die Verkehrsan­bindung, die reibungslo­se Logistik ohne Unterbrech­ung der Arbeit, die die EMA leistet, sowie das Jobund Schulangeb­ot für die Beschäftig­ten beziehungs­weise ihre Kinder. Auch in diesem Punkt machte die Kommission Schwächen beim Bonner Angebot aus, weil die Zahl mehrsprach­iger Kindergart­enund Schulplätz­e nicht genau herausgest­ellt wurde.

Frankfurt bewirbt sich mit sechs weiteren Städten um die kleinere Bankenaufs­icht, hat aber da offenbar ebenfalls schlechte Karten gegen die Konkurrenz: „Mehrere Mitgliedst­aaten (wie Luxemburg, d. Red.) bieten an, die Miete für eine kürzere oder längere Zeit oder sogar auf Dauer zu bezahlen, und einige bieten auch an, die Ausstattun­g für die neuen Büroräume zu übernehmen. Solche Kostenüber­nahme durch die Mitgliedst­aaten könnten erhebliche Einsparung­en für den EU-Haushalt bedeuten“, heißt es in der Stellungna­hme der Kommission. Das dürfte eine deutliche Ohrfeige für die Bundesregi­erung sein, die ja die deutschen Bewerbunge­n verantwort­et.

Der Bericht der EU-Kommission hat allerdings nur ein eingeschrä­nktes Gewicht, die Mitgliedst­aaten wollen im November endgültig entscheide­n. Im Hintergrun­d wird allerdings mit durchaus harten Bandagen gekämpft. Die EMA hat vor wenigen Tagen eine interne Befragung durchgefüh­rt, wer bei einem Umzug mitgehen und wer das Haus verlassen würde. Das Ergebnis scheint eindeutig: Demnach würden von den EMA-Pharmazeut­en bei einer Übersiedlu­ng nach Amsterdam 81 Prozent der Beschäftig­ten bleiben. Mit Barcelona könnten sich 7L Prozent anfreunden, einen Wechsel an den Rhein aber nur M1 Prozent mitmachen.

Autor dieses Beitrages ist Detlef

Drewes. Der 62-jährige Brüssel-Korrespond­ent berichtet für diese Zeitung über die Politik der EU. @Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

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