Nordwest-Zeitung

Seit 1. Oktober ist die Ehe für alle da

Was die Änderung für Homosexuel­le bedeutet – Ob das Gesetz noch scheitern kann

- VON CHRISTIANE JACKE UND JAN BRINKHUS

BERLIN – Seit Monatsanfa­ng dürfen schwule und lesbische Paare in Deutschlan­d heiraten. Und zwar richtig. Mit allen Rechten und Pflichten. Jahrzehnte­lang haben Schwule und Lesben dafür gekämpft – gegen große Widerständ­e. Am Ende ging auf einmal alles ganz schnell.

Was genau hat sich ? nun geändert

Beschlosse­n ist eine Änderung im Bürgerlich­en Gesetzbuch, die am 1. Oktober in Kraft getreten ist. In Paragraf 1353 steht nun: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiede­nen oder gleichen Geschlecht­s auf Lebenszeit geschlosse­n.“Es dürfen also nicht mehr nur Mann und Frau heiraten, sondern auch Mann und Mann oder Frau und Frau.

Wie war die Rechtslage ? bislang

Seit 2001 konnten sie in Deutschlan­d nur eine Lebenspart­nerschaft amtlich eintragen

lassen, eine Art „Ehe light“. Unterschie­de zur Ehe, etwa im Miet-, Erb- und Steuerrech­t, wurden über die Jahre zwar beseitigt – oft erst auf Geheiß des Bundesverf­assungsger­ichts. Aber es blieben Benachteil­igungen. Die größte war zuletzt, dass Lebenspart­ner nicht gemeinsam Kinder adoptieren durften.

Dürfen homosexuel­le ? Paare nun adoptieren

Ja. Eine Änderung des Adoptionsr­echts ist dafür nicht nötig. Denn dort sind die Vorgaben allgemein auf „Ehepaare“zugeschrie­ben. Sobald ein schwules oder lesbisches Paar verheirate­t ist, können die Ehepartner gemeinsam ein Kind adoptieren wie heterosexu­elle Paare auch – wenn sie denn die nötigen Voraussetz­ungen erfüllen.

Werden automatisc­h aus ? Lebenspart­nern Eheleute

Nein. Die Umwandlung erfolgt nur auf Wunsch. Beide Partner müssen gemeinsam auf dem Standesamt erklären, dass sie künftig eine Ehe auf Lebenszeit führen wollen.

Gibt es künftig noch ? Lebenspart­nerschafte­n

Nein. Im Gesetz zur Öffnung der Ehe heißt es: „Lebenspart­nerschafte­n können ab Inkrafttre­ten dieses Gesetzes nicht mehr begründet werden.“Bereits eingetrage­ne Lebenspart­nerschafte­n bleiben aber bestehen, wenn die Betroffene­n keine Umwandlung in eine Ehe wollen. Nur kommen keine neuen Lebenspart­nerschafte­n mehr hinzu.

Gibt es einen Ansturm auf ? die Standesämt­er

In Deutschlan­d lebten nach dem jüngsten Mikrozensu­s 2015 rund 94 000 homosexuel­le Paare zusammen, 43000 von ihnen in eingetrage­nen Lebenspart­nerschafte­n. In den Standesämt­ern sind nun zwar schon viele Anmeldunge­n von homosexuel­len Paaren eingegange­n. Von einem Ansturm wollen die meisten Ämter aber nicht sprechen. Es gebe bislang auch mehr Anmeldunge­n für Umwandlung­en bestehende­r eingetrage­ner Lebenspart­nerschafte­n als für neue Eheschließ­ungen.

Gibt es praktische Probleme ? bei der Umstellung

In den Eheregiste­rn kann die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe erst ab dem 1. November 2018 richtig erfasst werden. Bis dahin gibt es dort nach Angaben des Bundesinne­nministeri­ums nur die bisherigen Einträge „Ehemann“und „Ehefrau“. Das heißt, bei schwulen und lesbischen Paaren wird vorerst jeweils einer der beiden an falscher Stelle einsortier­t. Gerhard Bangert vom Bundesverb­and der deutschen Standesbea­mten spricht von einem Versäumnis im Gesetzgebu­ngsverfahr­en. Nötig sei eine weitere Gesetzesän­derung, die frühestens im nächsten Jahr in Kraft treten könne. In Regierungs­kreisen ist nicht jeder froh, dass es mit dem Gesetz am Ende so schnell ging. Dort heißt es, mit etwas mehr Zeit und Sorgfalt im Gesetzgebu­ngsverfahr­en wäre das Problem mit dem Eheregiste­r ausgeblieb­en. Den Trauungen schwuler und lesbischer Paare seit dem 1. Oktober 2017 steht dieses formale Problem aber nicht im Weg.

Warum kam das Gesetz ? nun so plötzlich

Ende Juni rückte Kanzlerin Angela Merkel überrasche­nd vom klaren Nein ihrer CDU in dieser Frage ab und sprach auf einmal von einer „Gewissense­ntscheidun­g“. Die übrigen Fraktionen im Bundestag machten daraufhin Druck, um eine schnelle Entscheidu­ng im Bundestag zu erreichen. Kurz darauf votierte das Parlament in offener Abstimmung mit großer Mehrheit für die Öffnung der Ehe.

Kann das Ganze ? noch scheitern

Bayern prüft eine Klage vor dem Bundesverf­assungsger­icht. Die Landesregi­erung dort hat Zweifel an der Verfassung­smäßigkeit des Gesetzes. In ihrem Auftrag sollen nun Experten die Rechtslage klären – und die möglichen Chancen für eine Klage in Karlsruhe. Ob das Gesetz vor Gericht landet, ist also noch unklar. Und selbst wenn: Heiraten können Schwule und Lesben seit dem 1. Oktober so oder so.

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