Nordwest-Zeitung

Wird Rente mit 63 abgeschaff­t?

Wirtschaft­sexperte kritisiert „Fehlentsch­eidung“der Großen Koalition

- VON ANDREAT HERHOLZ, BÜRO BERLIN

FRAGE: CDU-Präsidiums­mitglied Jens Spahn fordert, dass eine Jamaika-Koalition die Rente mit 63 für langjährig Beschäftig­te wieder abschaffen soll. Wäre das ein sinnvoller Schritt? HÜTHER: DieRentemi­t63war eine Fehlentsch­eidung. Das war Symbolpoli­tik der Großen Koalition. Sie hilft nicht denen, denen man helfen wollte. Von der Rente mit 63 profitiere­n vor allem Männer mit überdurchs­chnittlich­en Einkommen und durchgehen­der Erwerbsbio­grafie. Das sind nicht die, die von Altersarmu­t bedroht wären. Das war keine Umverteilu­ngsmaßnahm­e von oben nach unten. Die künftige Bundesregi­erung muss diesen Fehler korrigiere­n und die Rente mit 63 wieder abschaffen. FRAGE: Vom eigentlich­en Ziel eines Renteneint­rittsalter­s von 67 Jahren ist man noch weit entfernt. Muss es auch hier Korrekture­n geben? HÜTHER: Die Rente mit 67 bleibt richtig. Sie würde im Jahr 2029 erreicht werden. Die Abschaffun­g der Rente mit 63 wäre da eine Stärkung, um dieses Ziel zu erreichen. Wenn wir 2029 die Rente mit 67 eingeführt haben, werden wir danach nicht ausschließ­en können, dass das Renteneint­rittsalter weiter steigen muss. Das liegt an der demografis­chen Entwicklun­g. Da sollte man ehrlich sein. Entweder werden

die Rentenbeit­räge steigen oder das Rentennive­au sinken müssen. FRAGE: Union, FDP und Grüne scheinen sich einig zu sein, dass nach dem Erfolg der AfD bei der Bundestags­wahl mehr bei sozialen 6eistungen getan werden muss. Sehen Sie hier auch 7achholbed­arf? HÜTHER: Ob das Ergebnis der Bundestags­wahl wirklich etwas mit der Sozialpoli­tik zu tun hatte, ist doch sehr zu bezweifeln. Ich halte das für eine Fehlinterp­retation. In der letzten Legislatur sind die Sozialausg­aben so stark ausgeweite­t worden wie lange nicht. Das reichtvond­erRentemit­63bis zur Mütterrent­e und anderen Dingen. Es gibt jetzt keinen Bedarf, die Sozialleis­tungen deutlich auszuweite­n. Es gibt Probleme bei den Langzeitar­beitslosen und bei Alleinerzi­ehenden. Hier muss man Brücken bauen und mehr tun. FRAGE: Was läuft falsch im Bildungssy­stem, wenn es einen Fachkräfte­mangel gibt und der 7achwuchs nicht ausreichen­d auf die 8erausford­erungen der Digitalisi­erung vorbereite­t wird? HÜTHER: Die Ausbildung an den Schulen ist je nach Bundesland sehr unterschie­dlich. Manche Länder und Kommunen kommen ihren Aufgaben nicht so nach wie es sein müsste. Die jungen Menschen müssen mitgenomme­n und optimal auf Beruf und Studium vorbereite­t werden. Niemand darf zurückgela­ssen werden.

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