Nordwest-Zeitung

Ein falscher Tag

- VON ALEXANDER WILL

Eine absurde Idee, die schnell begraben werden sollte! In der Menschheit­sgeschicht­e sind Feiertage entstanden, weil man ein vergangene­s Ereignis durch Verzicht auf Arbeit ehren wollte. Heute sucht man sich ein Ereignis, um weniger arbeiten zu müssen – und zudem noch ein widersinni­ges.

Den 31. Oktober zum Dauerfeier­tag zu schlagen, hieße, den zweifelhaf­ten Gründungsm­ythos der Evangelisc­hen Kirche staatlich besonders zu würdigen. Muss man das Katholiken, Agnostiker­n oder Atheisten wirklich antun? Warum dieses neue Privileg für eine Kirche? Zudem kann man über die Meriten Luthers und der Reformatio­n insgesamt durchaus geteilter Meinung sein. Ja – der Mann hat die Bibel ins Deutsche übersetzt, wenn auch keineswegs als erster. Und ja – Luther war ein Antisemit, der an Hexen glaubte und diese Frauen am liebsten getötet hätte. Humanisten der Renaissanc­e in Rom oder Florenz haben überdies mit Sicherheit ein helleres Licht für den menschlich­en Geist entzündet als die deutsche Reformatio­n. Denn diese schuf auch brutalen protestant­ischen Fanatismus und Dogmatismu­s, finstere Despotien wie die des Reformator­s Calvin in Genf und zum unguten Schluss ein Ungetüm wie die „Deutschen Christen“.

Aber es gibt einen Tag, der es verdient, ein Feiertag zu sein: der 9. November. Er beleuchtet als gleichzeit­iger Jahrestag des Mauerfalls, der antisemiti­schen Pogrome von 1938 und der Novemberev­olution von 1918 das Janusgesic­ht der deutschen Geschichte. Dieser Tag erinnert daran, wohin Despotie und Fanatismus führen und was die Freiheit bedeutet – und es wäre ein säkularer Gedenktag. @ Den Autor erreichen Tie unter Will@infoautor.de

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