Nordwest-Zeitung

Weit meh) als eine „lustige Kaffeefah)t“

Protokoll der Herbstscha­u des I. Oldenburgi­schen Deichbande­s fällt kurz aus

- VON NATHALI5 M5NG

Die =icherheit der Deiche des I. Oldenburgi­schen Deichbande­s ist für den Winter gewährleis­tet. Einige Maßnahmen müssen dennoch vorgenomme­n werden.

BERNE – Deiche? Für Einheimisc­he keine Besonderhe­it. Wer jedoch in Gegenden aufgewachs­en ist, wo die Hochwasser­gefahr nahe Null liegt, braucht in Bezug auf Deiche mitunter etwas Nachhilfe. Der I. Oldenburgi­sche Deichband nahm mich mit auf seine Herbstdeic­hschau.

Ein Deichband kümmert sich innerhalb eines bestimmten Gebietes um Errichtung und Instandhal­tung von Deichen und den dazugehöri­gen Anlagen. Mit dem Ziel des Hochwasser­schutzes behält er die Sicherheit der Deichanlag­en im Auge. Das Gebiet des I. Oldenburgi­schen Deichbands ist der Hochwasser­gefahr durch Weser, Hunte Ochtum gleich von drei Seiten ausgesetzt.

Zweimal jährlich fährt der Deichband die Deichzüge der Hauptdeich­linie seines Gebiets ab. Mit dabei sind bei diesen Deichschau­en neben Vorstandsm­itgliedern des Deichbande­s unter anderem auch Vertreter des Landkreise­s, dessen Deichbehör­de die Deichschau verordnet, Vertreter der Städte und Gemeinden im Verbandsge­biet und Vertreter jener Einsatzkrä­fte, die im Katastroph­enfall zusammenar­beiten, also etwa Feuerwehr, Polizei und Bundeswehr. Dabei ist eine solche Deichschau „keine lustige Kaffeefahr­t“, wie Matthias Wenholt von der Deichbehör­de betont. Vielmehr gehe es um wichtige Schutzmaßn­ahmen. Die Tatsache, dass dafür so viele Akteure zusammenko­mmen macht deutig, wie wichtig der Hochwasser­schutz in der Wesermarsc­h ist.

Die Inspektion der Deichbaute­n und Anlagen findet allerdings schon vor der eigentlich­en Deichschau statt: Bei der Deichvorsc­hau wird im Frühjahr die eine Hälfte, im Herbst die andere Hälfte der Neben Verbandsvo­rsteher (von links) Cord Hartjen zählen auch Matthias Wenholt und Torsten Stengel zu den wichtigen Akteuren bei einer Deichschau.

Hauptdeich­linie komplett abgelaufen. „Alles andere macht ja auch keinen Sinn“, ist sich Verbandsvo­rsteher Cord Hartjen sicher. Klar, denn durch bloßes Abfahren der Deichlinie mit einzelnen Zwischenha­lten können ja nicht sämtliche Sicherheit­smängel festgestel­lt werden. Laut Cord Hartjen sind Deichvorsc­hauen im Herbst besonders wichtig, „weil dann ja die Sturmflute­n kommen“, und da muss dann alles dicht sein.

Die Erkenntnis­se der Deichvorsc­hau werden bei der Deichschau dann als Protokoll präsentier­t.

Um Änderungsm­aßnahmen vorzunehme­n, müssen diese allerdings erst mal genehmigt und geplant werden, erklärt Matthias Wenholt. Und das kann mitunter dauern.

Wichtige Teilnehmer der Deichschau sind auch die Deichgesch­worenen: Diese werden zur Ausübung dieses Ehrenamtes vorgeschla­gen und kümmern sich um je einen Deichzug. Das heißt, sie kontrollie­ren das ganze Jahr über, ob an den Deichen und Anlagen alles in Ordnung ist und „ob die Schafe richtig fressen“erklärt Deichgesch­worener Fritz Nobis.

Wozu sind überhaupt die Scha(e da

Wenn sie nämlich nicht richtig fräßen, entstünden Disteln, und das sei nicht so gut, meint Günther David, ebenfalls Deichgesch­worener. „Der Deich muss eine feste Grasnarbe haben, zum Schutz vor Erosion. Wenn die Grasnarbe von Disteln unterbroch­en wird, kann der Deich ein Loch kriegen und brechen“, erläutert Matthias Wenholt. Außerdem, so Günther David, sei es wichtig, dass die Schafe

das Gras kurzhielte­n, um so die Grasnarbe auf den Deichen zu festigen. Dadurch und durch das Festtrippe­ln der Deichoberf­läche mit ihren Hufen werde gewährleis­tet, dass bei Sturmflut nichts weggeschwe­mmt wird, erklärt Günther David weiter. „Das sind gute Mitarbeite­r. Die arbeiten 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr“, schmunzelt Fritz Nobis.

Rund 90 Prozent der Deiche im Verbandsge­biet werden mit Schafen beweidet, die Flächen werden an Deichschäf­er verpachtet, erklärt Cord Hartjen.

Was ist besonders an ti) debeein(lussten Deichen

Von ihm ist auch zu erfahren, dass Deich nicht gleich Deich ist, sondern dass ein Unterschie­d besteht zwischen tidebeeinf­lussten Deichen und Flussdeich­en. Im Vergleich zu Flussdeich­en, wo sich ein Hochwasser mit ungefähr einer Woche Vorlauf ankündige, könne der Pegel der Unterweser bei Sturmflut zusätzlich zu ihrem natürliche­n Tidenhub innerhalb weniger Stunden um vier bis fünf Meter steigen, erläutert Dr. Torsten Stengel, Leiter des Wasser- und Schifffahr­tsamtes Bremen. „Die Extreme hier erfordern ganz andere Schutzmaßn­ahmen“, ergänzt er. Diese Extreme sind aber laut Cord Hartjen trotz wenig Vorbereitu­ngszeit im Katastroph­enfall nicht unbedingt ein Nachteil. Ein schnell steigender Pegel sinkt schließlic­h auch schnell wieder ab, ganz anders als bei Flussdeich­en im Binnenbere­ich: „Da das Wasser dort langsamer wieder abläuft, kann das gut eine Woche lang stehen. Bei stehendem Wasser weicht der Deich

auf. Ein größeres Risiko also“, so der Verbandsvo­rsteher.

Bei allem Schutz des Binnenland­es vor der Weser muss aber auch sichergest­ellt werden, dass das Wasser in die andere Richtung wieder abfließt. Und selbst dafür gibt es Verbände, oder Sielachten, wie sie häufig heißen. Da große Teile des Binnenland­es in der Wesermarsc­h tiefer liegen als die Uferbereic­he, sorgen mehrere Schöpfwerk­e für die Entwässeru­ng des Binnenland­es, erklärt Matthias Wenholt. Die Pumpen der Binnenschö­pfwerke heben zunächst das Wasser aus den tiefer gelegenen Gebieten an, durch Siele und Mündungssc­höpfwerke gelangt das Wasser dann durch den Deich in die Weser.

Sind die Deiche im *er) bandsgebie­t wintersich­er

Zwar wird bei der Deichschau abschließe­nd verkündet, dass das Mängelprot­okoll in diesem Herbst kurz ausfällt, da sowohl die Deiche als auch die zugehörige­n Bauwerke allgemein in einem guten Zustand seien und auch die Grasnarbe sehr dicht sei, so Verbandsvo­rsteher Cord Hartjen. Dennoch seien einige Ausbesseru­ngsarbeite­n notwendig. Höchste Priorität hat aktuell die Erhöhung und Verstärkun­g des Weserdeich­es zwischen Berne-Ohrt und Ranzenbütt­el, da der Deich dort Unterbesti­ck hat.

Unterbesti­ck? „Bestick ist die erforderli­che Höhe des Deiches. Bei Unterbesti­ck ist der Deich nicht hoch genug“, erläutert Matthias Wenholt. Diese derzeit größte Baumaßnahm­e soll bis 2021 abgeschlos­sen sein.

Dieses Jahr sollte der Abschnitt von der Trift zur Weserinsel Ruschsand bis zur

Deichschäf­erei Piependamm fertiggest­ellt werden. Im August mussten die Bauarbeite­n bis voraussich­tlich April 2018 eingestell­t werden, da sich der Bauuntergr­und zunächst setzen und festigen muss. Dieser hatte sich als weniger tragfähig herausgest­ellt als angenommen.

Petra Henken vom NLWKN beruhigt die Anwohner, die sich besorgt zeigen, weil die Bauarbeite­r abgerückt sind, bevor Gras für eine sichernde Grasnarbe gepflanzt wurde. „Die Wintersich­erheit ist hergestell­t. Der Deich ist jetzt schon 50 Zentimeter höher, 2018 werden noch mal 40 bis 50 Zentimeter Klei aufgestaut“, so Petra Henken. Cord Hartjen bekräftigt, dass die Winterfest­igkeit des Deichs immer wieder geprüft werden wird.

Gibt es weitere +a,nahmen

Bei den zwei weiteren großen Maßnahmen, die vom I. Oldenburgi­schen Deichband geplant sind, handelt es sich zum einen um die Herstellun­g der Deichsiche­rheit an der Huntedeich­linie im Bereich des Klosters Blankenbur­g, zum andern um die Profilieru­ng des Ochtumdeic­hes auf einem zweiten, rund 750 Meter langen Bauabschni­tt.

Zum Deichkind hat mich die Deichschau längst nicht gemacht, schlauer geworden bin ich allemal. Und Matthias Wenholts ermahnende Worte, dass es sich hierbei um weit mehr als eine lustige Ausfahrt handelt, kann ich unterstrei­chen – deutlich wurde nämlich vor allem, welch eng verzahntes Engagement vieler unterschie­dlicher Akteure für die Gewährleis­tung des Hochwasser­schutzes vonnöten ist.

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BILD: NATHALI5 M5NG

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