Weit meh) als eine „lustige Kaffeefah)t“
Protokoll der Herbstschau des I. Oldenburgischen Deichbandes fällt kurz aus
Die =icherheit der Deiche des I. Oldenburgischen Deichbandes ist für den Winter gewährleistet. Einige Maßnahmen müssen dennoch vorgenommen werden.
BERNE – Deiche? Für Einheimische keine Besonderheit. Wer jedoch in Gegenden aufgewachsen ist, wo die Hochwassergefahr nahe Null liegt, braucht in Bezug auf Deiche mitunter etwas Nachhilfe. Der I. Oldenburgische Deichband nahm mich mit auf seine Herbstdeichschau.
Ein Deichband kümmert sich innerhalb eines bestimmten Gebietes um Errichtung und Instandhaltung von Deichen und den dazugehörigen Anlagen. Mit dem Ziel des Hochwasserschutzes behält er die Sicherheit der Deichanlagen im Auge. Das Gebiet des I. Oldenburgischen Deichbands ist der Hochwassergefahr durch Weser, Hunte Ochtum gleich von drei Seiten ausgesetzt.
Zweimal jährlich fährt der Deichband die Deichzüge der Hauptdeichlinie seines Gebiets ab. Mit dabei sind bei diesen Deichschauen neben Vorstandsmitgliedern des Deichbandes unter anderem auch Vertreter des Landkreises, dessen Deichbehörde die Deichschau verordnet, Vertreter der Städte und Gemeinden im Verbandsgebiet und Vertreter jener Einsatzkräfte, die im Katastrophenfall zusammenarbeiten, also etwa Feuerwehr, Polizei und Bundeswehr. Dabei ist eine solche Deichschau „keine lustige Kaffeefahrt“, wie Matthias Wenholt von der Deichbehörde betont. Vielmehr gehe es um wichtige Schutzmaßnahmen. Die Tatsache, dass dafür so viele Akteure zusammenkommen macht deutig, wie wichtig der Hochwasserschutz in der Wesermarsch ist.
Die Inspektion der Deichbauten und Anlagen findet allerdings schon vor der eigentlichen Deichschau statt: Bei der Deichvorschau wird im Frühjahr die eine Hälfte, im Herbst die andere Hälfte der Neben Verbandsvorsteher (von links) Cord Hartjen zählen auch Matthias Wenholt und Torsten Stengel zu den wichtigen Akteuren bei einer Deichschau.
Hauptdeichlinie komplett abgelaufen. „Alles andere macht ja auch keinen Sinn“, ist sich Verbandsvorsteher Cord Hartjen sicher. Klar, denn durch bloßes Abfahren der Deichlinie mit einzelnen Zwischenhalten können ja nicht sämtliche Sicherheitsmängel festgestellt werden. Laut Cord Hartjen sind Deichvorschauen im Herbst besonders wichtig, „weil dann ja die Sturmfluten kommen“, und da muss dann alles dicht sein.
Die Erkenntnisse der Deichvorschau werden bei der Deichschau dann als Protokoll präsentiert.
Um Änderungsmaßnahmen vorzunehmen, müssen diese allerdings erst mal genehmigt und geplant werden, erklärt Matthias Wenholt. Und das kann mitunter dauern.
Wichtige Teilnehmer der Deichschau sind auch die Deichgeschworenen: Diese werden zur Ausübung dieses Ehrenamtes vorgeschlagen und kümmern sich um je einen Deichzug. Das heißt, sie kontrollieren das ganze Jahr über, ob an den Deichen und Anlagen alles in Ordnung ist und „ob die Schafe richtig fressen“erklärt Deichgeschworener Fritz Nobis.
Wozu sind überhaupt die Scha(e da
Wenn sie nämlich nicht richtig fräßen, entstünden Disteln, und das sei nicht so gut, meint Günther David, ebenfalls Deichgeschworener. „Der Deich muss eine feste Grasnarbe haben, zum Schutz vor Erosion. Wenn die Grasnarbe von Disteln unterbrochen wird, kann der Deich ein Loch kriegen und brechen“, erläutert Matthias Wenholt. Außerdem, so Günther David, sei es wichtig, dass die Schafe
das Gras kurzhielten, um so die Grasnarbe auf den Deichen zu festigen. Dadurch und durch das Festtrippeln der Deichoberfläche mit ihren Hufen werde gewährleistet, dass bei Sturmflut nichts weggeschwemmt wird, erklärt Günther David weiter. „Das sind gute Mitarbeiter. Die arbeiten 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr“, schmunzelt Fritz Nobis.
Rund 90 Prozent der Deiche im Verbandsgebiet werden mit Schafen beweidet, die Flächen werden an Deichschäfer verpachtet, erklärt Cord Hartjen.
Was ist besonders an ti) debeein(lussten Deichen
Von ihm ist auch zu erfahren, dass Deich nicht gleich Deich ist, sondern dass ein Unterschied besteht zwischen tidebeeinflussten Deichen und Flussdeichen. Im Vergleich zu Flussdeichen, wo sich ein Hochwasser mit ungefähr einer Woche Vorlauf ankündige, könne der Pegel der Unterweser bei Sturmflut zusätzlich zu ihrem natürlichen Tidenhub innerhalb weniger Stunden um vier bis fünf Meter steigen, erläutert Dr. Torsten Stengel, Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Bremen. „Die Extreme hier erfordern ganz andere Schutzmaßnahmen“, ergänzt er. Diese Extreme sind aber laut Cord Hartjen trotz wenig Vorbereitungszeit im Katastrophenfall nicht unbedingt ein Nachteil. Ein schnell steigender Pegel sinkt schließlich auch schnell wieder ab, ganz anders als bei Flussdeichen im Binnenbereich: „Da das Wasser dort langsamer wieder abläuft, kann das gut eine Woche lang stehen. Bei stehendem Wasser weicht der Deich
auf. Ein größeres Risiko also“, so der Verbandsvorsteher.
Bei allem Schutz des Binnenlandes vor der Weser muss aber auch sichergestellt werden, dass das Wasser in die andere Richtung wieder abfließt. Und selbst dafür gibt es Verbände, oder Sielachten, wie sie häufig heißen. Da große Teile des Binnenlandes in der Wesermarsch tiefer liegen als die Uferbereiche, sorgen mehrere Schöpfwerke für die Entwässerung des Binnenlandes, erklärt Matthias Wenholt. Die Pumpen der Binnenschöpfwerke heben zunächst das Wasser aus den tiefer gelegenen Gebieten an, durch Siele und Mündungsschöpfwerke gelangt das Wasser dann durch den Deich in die Weser.
Sind die Deiche im *er) bandsgebiet wintersicher
Zwar wird bei der Deichschau abschließend verkündet, dass das Mängelprotokoll in diesem Herbst kurz ausfällt, da sowohl die Deiche als auch die zugehörigen Bauwerke allgemein in einem guten Zustand seien und auch die Grasnarbe sehr dicht sei, so Verbandsvorsteher Cord Hartjen. Dennoch seien einige Ausbesserungsarbeiten notwendig. Höchste Priorität hat aktuell die Erhöhung und Verstärkung des Weserdeiches zwischen Berne-Ohrt und Ranzenbüttel, da der Deich dort Unterbestick hat.
Unterbestick? „Bestick ist die erforderliche Höhe des Deiches. Bei Unterbestick ist der Deich nicht hoch genug“, erläutert Matthias Wenholt. Diese derzeit größte Baumaßnahme soll bis 2021 abgeschlossen sein.
Dieses Jahr sollte der Abschnitt von der Trift zur Weserinsel Ruschsand bis zur
Deichschäferei Piependamm fertiggestellt werden. Im August mussten die Bauarbeiten bis voraussichtlich April 2018 eingestellt werden, da sich der Bauuntergrund zunächst setzen und festigen muss. Dieser hatte sich als weniger tragfähig herausgestellt als angenommen.
Petra Henken vom NLWKN beruhigt die Anwohner, die sich besorgt zeigen, weil die Bauarbeiter abgerückt sind, bevor Gras für eine sichernde Grasnarbe gepflanzt wurde. „Die Wintersicherheit ist hergestellt. Der Deich ist jetzt schon 50 Zentimeter höher, 2018 werden noch mal 40 bis 50 Zentimeter Klei aufgestaut“, so Petra Henken. Cord Hartjen bekräftigt, dass die Winterfestigkeit des Deichs immer wieder geprüft werden wird.
Gibt es weitere +a,nahmen
Bei den zwei weiteren großen Maßnahmen, die vom I. Oldenburgischen Deichband geplant sind, handelt es sich zum einen um die Herstellung der Deichsicherheit an der Huntedeichlinie im Bereich des Klosters Blankenburg, zum andern um die Profilierung des Ochtumdeiches auf einem zweiten, rund 750 Meter langen Bauabschnitt.
Zum Deichkind hat mich die Deichschau längst nicht gemacht, schlauer geworden bin ich allemal. Und Matthias Wenholts ermahnende Worte, dass es sich hierbei um weit mehr als eine lustige Ausfahrt handelt, kann ich unterstreichen – deutlich wurde nämlich vor allem, welch eng verzahntes Engagement vieler unterschiedlicher Akteure für die Gewährleistung des Hochwasserschutzes vonnöten ist.