Nordwest-Zeitung

Schnell mdenken

- VON LARS BLANCKE

Uberrasche­n konnte es keinen mehr: Werder Bremen hat die Reißleine gezogen, nach zehn sieglosen Spielen mit nur drei Toren und dem desolaten Auftritt gegen Augsburg war ein „Weiter so“mit Ale\ander Nouri einfach nicht mehr tragbar.

Der steile Aufstieg des 38jährigen Trainers endet damit abrupt. Nouri muss sich wie im Märchen vorgekomme­n sein, als er in nur kurzer Zeit über den Viertligis­ten VfB Oldenburg und den Drittligis­ten Werder II im September 2016 zum ErstligaCo­ach emporstieg. Seine erfrischen­d ehrliche Art kam in der Liga und bei den Fans an, und als er Werder dank zwölf ungeschlag­ener Spiele in Serie in der Rückrunde der vergangene­n Saison aus dem Abstiegska­mpf fast noch in den Europapoka­l führte, wurde die Geschichte immer märchenhaf­ter.

Seit dem Sommer ist aus dem Märchen jedoch ein Albtraum geworden. Nouri legte seinen ganzen Fokus in der Vorbereitu­ng auf die Abwehrarbe­it – und vergaß dabei offensicht­lich, dass im Fußball die Tore entscheide­n. Werder, das in seiner Vereinside­ntität für attraktive­n Offensivfu­ßball stehen will, versprühte nicht mehr den Hauch von Torgefahr, zeigte keinen Spielwitz, leistete sich unglaublic­h viele technische Fehler.

Nouri hätte diesen Trend wohl nicht mehr stoppen können. Er machte sich zudem vor der Saison angreifbar, weil er überrasche­nd den bei den Anhängern und in der Mannschaft so beliebten „Co“Florian Bruns opferte, um nach eigenen Angaben noch enger am Team arbeiten zu können.

Der Coach ist der eine, der Sportchef Frank Baumann der andere Verlierer. Der Wechsel von Viktor Skripnik auf den nächsten Trainer aus der Zweiten war Baumanns Projekt. Dem Bremer E\-Profi gefiel die Idee, ein Trainer-Talent aus der Werder-Familie hochzuzieh­en. Er stärkte Nouri, wo er nur konnte, sprach noch vor Kurzem davon, den eingeschla­genen Weg mit Überzeugun­g weitergehe­n zu wollen. Die Freistellu­ng Nouris ist somit das späte Eingestehe­n einer Fehleinsch­ätzung.

Nun muss Baumann diesen Irrtum schnell korrigiere­n. Vorerst setzt er auf Florian Kohfeldt – wieder auf einen Mann aus den eigenen Reihen. Ihm stellt er in Tim Borowski noch einen weiteren Bremer E\-Profi zur Seite. Nach den gescheiter­ten Versuchen mit Skripnik und Nouri ist es jedoch kaum vorstellba­r, dass der Club den sogenannte­n Werder-Weg erneut wählt.

Baumann muss sich neu erfinden, sich bei der Auswahl des neuen Übungsleit­ers von seiner „Werder-Liebe“lösen und – jetzt kommt das Entscheide­nde – einen gestandene­n Chefcoach verpflicht­en, der weiß, wie der Abstiegska­mpf in der Fußball-Bundesliga funktionie­rt. @ Den Autor erreichen Sie unter blanke@infoautor.de

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