Wer macht künftig die Handwerksarbeit?
Betriebe und Kammer fordern Berufsorientierung an Gymnasien– Stimmung auf Rekord
Die meisten Betriebe im Oldenburger Land sind sehr gut ausgelastet. Sie brauchen mehr Facharbeiter-Nachwuchs.
OLDENBURG/WILHELMSHAVEN/ D ELMEN H O RST – Eckhard Stein ist mit seinem Wilhelmshavener Heizungs- und Sanitärbetrieb wie die ganze Branche voll ausgelastet – aber wenn er in die Zukunft schaut, macht er sich dennoch große Sorgen. „Die Gesellschaft könnte ein Riesen-Problem bekommen – nämlich dass Aufträge von Kunden nicht mehr erledigt werden können“, sagt er. „Wir brauchen mehr Facharbeiter“, mahnte Stein, der Vizepräsident der Handwerkskammer (HWK) Oldenburg ist, am Freitag.
Und er betonte: „Die Politik ist gefragt.“Konkret müsse die Berufsorientierung auch an Gymnasien „platziert“werden. „Und zwar eine echte, nicht nur quasi als Studienberatung“, sagte er mit Blick auf den Kontrast vom starken Bedarf des Handwerks zur hohen Studien-Abbrecherquote an deutschen Hochschulen.
Die HWK Oldenburg präsentierte am Freitag hervorragende Ergebnisse von der jüngsten Betriebsbefragung: Der Geschäftsklima-Index erreichte mit 123 Punkten einen weiteren Höchststand – mit dem Baubereich als Triebfeder, wie Stein mit dem HWKHauptgeschäftsführer Heiko Henke, HWK-Betriebsberater Klaus Hurling und dem Handwerks-Unternehmer
Jörg Kruse (J. Kruse Metallbau/Delmenhorst) erläuterte.
Doch noch mehr als zuvor wurde deutlich: Das Handwerk, das nach eigener Einschätzung mit vielerlei Maßnahmen – darunter eine Imagekampagne – an Sympathie bei Schülern und Eltern wieder gewonnen hat, steht buchstäblich unter Druck. Betriebsberater Hurling entdeckte im Datenmaterial etwa diesen Hinweis: Im Baubereich steige der Klimaindex – doch der Beschäftigungssaldo falle. Das könnte bedeuten: Aufträge können nicht wie bisher erledigt werden.
Auch Metall-Unternehmer Jörg Kruse berichtete von einem „ungewöhnlich guten Geschäftsverlauf“. Während
üblicherweise die Aufträge für fünf bis sieben Wochen reichten, seien es jetzt eher zehn bis zwölf, in Einzelfällen mit konstruktivem Aufwand gar 16 Wochen. Kruse setzt auf eigene Fachkräfte – fast die Hälfte der 20 Beschäftigten wurden selbst ausgebildet. Hinzu kommt Weiterbildung, etwa zum Meister und anderen Qualifikationen. Zudem kooperiert man mit befreundeten Unternehmen und man stellt für die Auftragsspitzen Leiharbeitskräfte ein. Dennoch: Manche Dinge müsse man angesichts der sehr Auftragslage auch „absagen“, erläuterte Kruse. Dies natürlich „sehr ungern“.
Kruse, der auch Obermeister der Metall-Innung Delmenhorst/Landkreis Oldenburg
ist, hat mit seinen Kollegen die Nachwuchssuche schon erheblich intensiviert – mit mehr Aufklärung bei InfoTagen (etwa an der BBS in Delmenhorst) und Auftritten in Klassen, die verstärkt angefordert würden. Auch würden ständig Praktika ermöglicht. Mehr Kontakte zu Schulen, das sei gewiss ein richtiger Weg. Vielleicht sei hier ein Koordinator sinnvoll.
Längst nicht alle Potenziale werden erreicht. Das oldenburgische Handwerk fordert (wie der Bundesverband) dringend Weichenstellungen im Bildungssystem: Während viele junge Leute im Studium nicht die erhoffte Erfüllung finden bzw. Abschlüsse nicht schaffen, suchen Betriebe händeringend Nachwuchs.
Man bietet Weiterbildungsund Aufstiegs-Chancen. „Es ist doch auch einfach sehr befriedigend, abends das Ergebnis seines Tageswerkes zu sehen“, formulierte Henke einen weiteren Vorzug eines Berufsweges im Handwerk, der zu wenig gesehen werde.
Man biete mit der dualen Berufsausbildung „ein tolles System“an, schwärmte Unternehmer Kruse. Viel zu wenige wüssten, was man alles nach der Ausbildung machen könne – Richtung Techniker, Meister, Ingenieur-Abschluss und Firmenleitung etwa. Sein eigener Weg führte ihn einst nach einer Ausbildung über das Fach-Abi und die Fachhochschule zur Übernahme des elterlichen Betriebes in Delmenhorst.