Trump twittert, Xi lenkt
Wie der US-Präsident seinem chinesischen Kollegen auf den Leim geht
PEKING – Auf dem frisch gefegten roten Teppich vor der gewaltigen Großen Halle des Volkes sind die harten Themen dieses Besuches ganz weit weg. Salutschüsse donnern in den kühlen Morgen über dem Platz des Himmlischen Friedens, Säbel blitzen beim Salutieren, Lederstiefel knallen in beklemmender Präzision, rote Fahnen wölben sich mit der US-Flagge in einer Brise.
Xi Jinping fährt das breite Arsenal militärischer Ehren auf. Donald Trump mag so etwas sehr, ist beeindruckbar von Pomp und Show. Ganz Mensch des Zeitalters der Bilder, wird der US-Präsident in Peking Teil einer gigantischen Inszenierung seines chinesischen Kollegen. Der selbst ernannte riesengroße Dealmaker Trump denkt an sich, der kühle Stratege Xi an die Zukunft, den „chinesischen Traum“vom Aufstieg zur Weltmacht.
In Peking stehen astronomische Summen unterzeichneter Abkommen im Raum, man spricht von mehr als 250 Milliarden US-Dollar. Xi ist zufrieden über die Aufführung. Er hat dem „Geschäftsmann“Trump geliefert, was der haben und seinen Wählern zuhause präsentieren wollte: „Arbeitskräfte schaffende Abkommen!“, wie Trump glücklich verkündete. Aber der Schein trügt leicht.
Einiges ist echt, anderes nur Show. Vage Absichtserklärungen, Rahmenabkommen, Kooperationspläne, die mit „kreativer Buchhaltung“zu potenziellen dreistelligen Milliardensummen hochgerechnet werden. „Ein Besuch im alten Stil“oder „klassische chinesische Taktik“, lauten Reaktionen von Kennern.
Auch deutsche Regierungschefs – von Helmut Kohl über Gerhard Schröder bis Angela Merkel – haben ihre ChinaBesuche einst damit geschmückt. Da wurden Airbusse gleich drei-, viermal verkauft. Erst den Franzosen, dann den Deutschen. Erst als Kaufabsicht, dann bei der Bestellung. Die Kanzlerin hat das Spiel längst durchblickt, verzichtet immer häufiger auf Unterzeichnungszeremonien.
Auch bringen Handelsabkommen vielleicht erstmal das Defizit im Warenaustausch herunter, wirken aber nur kurzfristig. Langfristig bringen nur Marktöffnung, Abbau von Investitionshürden und Subventionen, freie Ausschreibungen und Rechtssicherheit die Geschäfte voran. Stichwort: gerechte Wettbewerbsbedingungen.
Statt aber mit den Europäern gemeinsam Front zu machen, blickt Trump nicht über den Tellerrand. Stattdessen: „America First.“Vorstöße der Europäer, gemeinsam auf Marktöffnung in China zu dringen, stießen bei Trumps Beratern „auf taube Ohren“, heißt es.
„Hier wird alles nur schwerer“, klagen ausländische Manager. „Da öffnet sich nix.“Der Parteikongress gab jetzt auch noch „Zurück in die Zukunft“als Wirtschaftskurs vor: „Mehr Staat, weniger Markt.“
Die Chinesen verhandeln ohnehin am liebsten bilateral, spielen die Handelspartner gegeneinander aus, kritisieren Diplomaten. Geschickt nutzten sie das offene Welthandelssystem aus, hielten ihre zweitgrößte Volkswirtschaft aber weiter verschlossen.
Jetzt ist ihnen auch noch Trump auf den Leim gegangen, der Präsident der größten Volkswirtschaft. In den USA war schon vor der Reise befürchtet worden, dass Donald Trump gar nicht merkt, wie geschickt er eingeseift wird. Prompt kann er in Peking seine Bewunderung für den „starken Mann“Xi Jinping nicht verhehlen.
Für Xi ist diese Verbeugung vor Chinas Autokratie „konstruktiv, produktiv“. China und die USA hätten „viel mehr gemeinsam“, als sie trenne. In der Tat: Dass Xi nach seinem Statement keine Fragen zulässt, war zu erwarten. Dass aber Trump es auch nicht tut, war neu. „Mr. President“, ruft eine US-Journalistin, „keine Fragen? Würden Sie heute immer noch wiederholen, dass China die USA vergewaltigt?“Schweigend gehen die Staatenlenker ab, einander in ihrer Sicht auf kritische Medien gar nichtsounähnlich.
Trump dürfte die Station China als weitere Krönung seines wirtschaftlichen Verhandlungsgeschicks ausschlachten. Aber: Wenn Trump das Weiße Haus verlassen wird, sei es nach vier oder nach acht Jahren, dann wird Xi die Geschicke seines Landes noch immer bestimmen. Er denkt in größeren Zeiträumen.