„Kluft zwischen Basis und Profis wächst“
Autor kritisiert Entwicklung im Fußball – Bundesligisten abgehoben, Amateure abgehängt
Fünftliga-Trainer Kristian Arambasic stimmte dem Journalisten zu. Er fordert ein Umdenken bei den Amateur-Clubs.
BREMEN – Fußball ist nicht gleich Fußball: Auf der einen Seite gibt es das Profi-Geschäft, auf der anderen Seite die Basis der Amateur-Vereine. Und dazwischen liegt eine Kluft, die immer größer wird. Das sagt Autor und Journalist Christoph Ruf, der am Donnerstag im Ostkurvensaal des Bremer Weserstadions vor 60 Zuschauern Thesen aus seinem Buch „Fieberwahn – wie der Fußball seine Basis verkauft“vorstellte. In der anschließenden Diskussion stimmten ihm Kristian Arambasic, Trainer des Fünftligisten FC Oberneuland, und Hubertus Hess-Grunewald, Präsident des Gesamtvereins Werder Bremen, zu.
„Die Amateurvereine im DFB fühlen sich verarscht und nicht repräsentiert“, sagte Ruf zu Beginn seiner Ausführungen. Gründe dafür gebe es einige. Zum Beispiel, dass von den TV-Geldern – insgesamt mehr als einer Milliarde Euro – satte 98 Prozent an die in der DFL organisierten Clubs in den ersten beiden Ligen gehen, die Amateurvereine aber nur „Krümel“abbekommen.
Die Profi-Clubs hätten natürlich auch immer höhere Ausgaben, meinte Hess-Grunewald. Neben dem Spieleretat, der mehr als die Hälfte ausmache, müsse ein immenser Verwaltungsapparat sowie steigende Sicherheitsauflagen bezahlt werden. „Zu Champions-League-Zeiten hatten wir 80 bis 90 Mitarbeiter, jetzt haben wir 150“, so der Präsident.
Doch auch die Kosten für Amateurvereine steigen. Ruf berichtete vom SC Spielberg, einem kleinen Verein aus dem gleichnamigen, rund 2800 Einwohner zählenden Karlsruher Ortsteil, der bei seinem Aufstieg in die Regionalliga im Jahr 2015 und einem Etat von etwa 200 000 Euro ganze 80 000 Euro in erhöhte Sicherheitsmaßnahmen wie einen separaten Gästeeingang und Sicherheitspersonal investieren musste.
Ähnlich erging es dem SSV Jeddeloh (Kreis Ammerland), der im Vorjahr in die Regionalliga aufstieg, und separate
Spielereingänge und einen eingezäunten Gästeblock errichten musste – für den Verein eines 1300-EinwohnerOrtes eine hohe Summe.
Weiter prangert Ruf Strafen an, die Vereine in untersten Klassen zahlen müssten, wie zum Beispiel für falsch gekreidete Elfmeterpunkte oder zu spät ins Internet eingetragene Ergebnisse von Jugend-Spielen. „Die Strafen mancher Vereine übersteigen ihre Eintritts-Einnahmen“, kritisiert Ruf.
Dass die Einnahmen mancherorts zurückgehen, daran ist zum Teil auch die DFL Schuld, die die Spiele der ersten und zweiten Bundesliga immer mehr über das ganze Wochenende verteilt. „Die Zerstückelung des Bundesliga-Spielplans ist für uns eine Katastrophe“, sagte FünftligaTrainer Arambasic. Sein FC Oberneuland zähle bei Heimspielen am Freitagabend gerne mal 200 Besucher – wenn Werder Bremen jedoch zeitgleich spielt, seien es gerade noch halb so viele.
Er selber sei zwar auch Werder-Fan, gehe aber schon seit Jahren nicht mehr ins Weserstadion. „Ich stecke da kein Geld mehr rein, das ist mir zu teuer“, sagt der 40-Jährige. Er schaue sich lieber JugendFußball an – oder EishockeySpiele der Fischtown Pinguins Bremerhaven.
Damit steht er nicht alleine da. Immer mehr Fans boykottieren – entgegen der insgesamt steigenden Zuschauerzahlen in den Arenen – den Stadionbesuch. So kündigten Fans von Borussia Dortmund, allen voran das „Bündnis Südtribüne“, nun an, geschlossen vom ersten Montags-Spiel des BVB gegen Augsburg im Februar fernzubleiben.
Dass das „Sterben der Vereine“auf unteren Ebenen trotzdem weitergeht, glaubt auch Arambasic. Er fordert, dass sich Vereine zusammenschließen: um Sponsoren finden zu können, und um Jugendmannschaften auf die Beine stellen zu können.
Überleben werde der Amateurfußball natürlich, aber man müsse ihn vielleicht neu erfinden, meint Arambasic. Dafür müsse man die aktuelle Situation anerkennen, wie sie ist. Das habe er zum Beispiel beim VfB Oldenburg, den er zu Beginn der Saison 2014/15 für drei Monate trainierte, vermisst. „Die Leute dort leben in Gedanken noch in der Zweitliga-Zeit – die ist aber 20 Jahre her. Das hat mich nicht interessiert, ich war im Jetzt.“
Ein weiterer Kritikpunkt in Rufs Buch ist die „50+1“-Regel – jedoch nicht die Regel an sich, sondern dass es in der Bundesliga zu viele Ausnahmen gibt. Da stimmt ihm Hess-Grunewald zu: „Es ist ein gnadenloser Wettbewerb, ein Drittel der Clubs spielen nicht nach der ,50+1’-Regel. Wir versuchen, in diesem Konzert so gut wie möglich mitzuspielen – aber nicht um jeden Preis.“
„Amateurfußball wird überleben – aber vielleicht müssen wir ihn neu erfinden“KRISTIAN ARAMBASIC