Sondersitzung des Rates zum Fall Wagner
Wilhelmshavens Oberbürgermeister soll Auskunft über seine Amtsführung geben
Die kritischen Anfragen an Andreas Wagner reißen nicht ab. Möglicherweise wird er am Sonntag auf dem Neujahrsempfang der Stadt zu den Vorwürfen Stellung beziehen.
WILHELMSHAVEN – Der Brief ist seit Donnerstagabend 19.55 Uhr im Briefkasten des Wilhelmshavener Rathauses. 17 Ratsmitglieder fordern darin Oberbürgermeister Andreas Wagner (CDU, 49) auf, unverzüglich eine öffentliche Sondersitzung des Stadtrats einzuberufen, auf der es um seine Amtsführung gehen soll.
Der entsprechende Antrag der SPD-Fraktion erhielt die ausreichende Mehrheit. Als Begründung hieß es: „Angebliche 19 Wochen Urlaub, dazu ein nicht mitgeteilter Kuraufenthalt, Fragen bei Abrechnungen von Hotels und Mobilfunkverbindungen müssen vollständig dargestellt werden, um nicht den Oberbürgermeister und damit auch das Amt als solches in einem schlechten Licht stehen zu lassen.“Unabhängig von der Sondersitzung des Rates, die nun innerhalb von drei Tagen angesetzt werden müsse, sollen nach Meinung der Kommunalpolitiker alle entsprechenden Unterlagen vom Rechnungsprüfungsamt der Stadt untersucht und geprüft werden. In der Kommunalpolitik wird erwartet, dass Wagner am Sonntag auf dem Neujahrskonvent der Stadt Wilhelmshaven zu dem Thema Stellung nimmt.
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Die erste Bitte um eine Stellungnahme erreichte den Wilhelmshavener Oberbürgermeister in seinem Winterurlaub zwischen Weihnachten und Neujahr über seine Pressesprecherin Julia Muth. Die -Redaktion hatte Fragen zu Wagners Urlaub geschickt:
Es ging um drei Wochen Weihnachtsurlaub, zwei Wochen Osterurlaub, vier Wochen Sommerurlaub, zehn Tage Wehrübung im September, zwei Wochen Herbsturlaub im Oktober, zwei Wochen Weihnachtsurlaub und mehrere mehrtägige Radtouren, an denen Wilhelmshavens Oberbürgermeister Andreas Wagner (CDU, 49) angeblich abwesend gewesen sei – eine Größenordnung, die deutlich über dem gesetzlichen Urlaubsanspruch von 31 Tagen lag.
Hätte Wagner die Angaben in der Auflistung widerlegen können, wäre das Thema schnell erledigt gewesen. Doch die Antwort aus dem
Büro des Oberbürgermeisters blieb zunächst aus. Am nächsten Tag kam die Reaktion der städtischen Pressestelle mit dem Verweis auf Privatsphäre sowie der Mitteilung, es würden im Rathaus keine Listen über die An- und Abwesenheit Wagners geführt, das sei in der alleinigen Verantwortlichkeit des Oberbürgermeisters. Am 2. Januar erschien der -Bericht über die anstehenden Fragen – und er schlug wie zu erwarten war, hohe Wellen. Es folgten bohrende Fragen aus der Kommunalpolitik, die Ankündigung, man wolle das städtische Rechnungsprüfungsamt einschalten, neue Erklärungen aus dem Rathaus mit zum Teil widersprüchlichen Äußerungen – am Ende dann die Ankündigung Wagners, er wolle sich auf dem Neujahrskonvent der Stadt am Sonntag äußern. Gleichzeitig bat er den CDU-Kreisvorstand, eine für Dienstag geplante Sondersitzung auf den Sonnabend zu verschieben.
In der Politik wurde dies als Missbrauch des Neujahrsempfangs für persönliche Dinge und als Affront gegenüber dem Rat aufgenommen. „Eine solche Respektlosigkeit lassen wir uns nicht bieten“, kommentierte der GrünenPolitiker Michael von den Berg und inzwischen liegt ein vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Howard Jacques unterschriebener Antrag für eine Sondersitzung des Rates bei der Verwaltung.
Beobachter der Wilhelmshavener Kommunalpolitik rätseln über die Frage, warum eine so theatralische Behandlung eines eigentlich ganz einfachen Themas nötig ist. Der Oberbürgermeister könne doch ganz einfach mitteilen, wann er in Urlaub war – und der ganze Spuk wäre längst vorbei. Es müsste keine Sondersitzung des Rates und des CDU-Vorstands geben und es gäbe auch keine Verärgerung um den angeblichen Missbrauch des Neujahrsempfangs. Auch im Rat der Stadt wundern sich einige, warum es zu der jetzt vorhandenen inszenierten und „absolut unangemessenen Dramatik“gekommen
ist. Nicht einmal der Verwaltungschef selber müsste sich nach Politikermeinung an einer möglichen Diffamierungsund Lügenkampagne die Hände schmutzig machen – es würde ja genügen, wenn zum Beispiel der für Rechtsfragen verantwortliche Dezernent darlegen würde, wie sich die Dinge verhalten.
Stattdessen sorgte das Rathaus mit zum Teil widersprüchlichen Angaben für Verwirrung und Verdruss bei den Kommunalpolitikern. Nachdem zunächst auf die Privatsphäre, zu der nichts mitgeteilt würde, verwiesen wurde und ergänzend offiziell erklärt wurde, dass es keine Listen über die An- und Abwesenheit des Chefs gäbe, gab es plötzlich einige Tage später – nach Wagners Rückkehr aus dem Winterurlaub – einen Kurswechsel.
Urlaubsanträge
Auf die -Anfrage, wie Wagner denn seiner Pflicht nachgekommen sei, seinen Urlaub jeweils rechtzeitig vor Antritt seinem Dienstherrn anzuzeigen, wurde mitgeteilt, dass er durchaus Urlaubsanträge ausgefüllt habe.
Andere Hauptverwaltungsbeamte gehen mit den in Wilhelmshaven diskutierten Themen übrigens völlig anders um. In Ratskreisen heißt es, Wagner hätte vielleicht weniger Ärger, wenn er sich in solchen Fragen beispielsweise an den Landräten Jörg Bensberg (Ammerland, parteilos) und Sven Ambrosy (Friesland, SPD) orientiert hätte. Bensberg ließ eine -Anfrage zum Thema Reisekosten und Kilometergeld vom für die Kontrolle und Abrechnung verantwortlichen Dezernenten beantworten. Und Ambrosy beteiligt sich am elektronischen Arbeitszeit-Erfassungssystem. Da ist auf Knopfdruck eine neutrale Übersicht in allen Details über An- und Abwesenheiten abrufbar.