Nordwest-Zeitung

KRABBENFIS­CHER AUS LEIDENSCHA­FT

Warum sich Nils Schröder aus Hooksiel keinen anderen Beruf vorstellen kann

- JON SYLKE SDUNZIG

Der 29-Jährige hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt. Seit Generation­en fischt seine Familie im Jadebusen.

HOOKSIEL – Nils Schröder, 29, ist ein Mann des Meeres und begeistert­er Wangerländ­er, seitdem er 2015 von Varel nach Hooksiel gezogen ist. Die meiste Zeit verbringt der junge Kerl mit den kurzen, rotblonden Haaren und der blauen Latzhose an Bord seines Fischkutte­rs, dem er den Namen „Trotz“gegeben hat. Nils ist Krabbenfis­cher aus Leidenscha­ft und lebt im Wangerland seinen Traum von Freiheit, auch wenn es Berufsfisc­her heute nicht mehr so leicht haben.

Als wir Nils Schröder im Außenhafen von Hooksiel treffen, ist das Wetter alles andere als einladend, um auf der Nordsee fischen zu gehen. Wir haben Dezember, es schneit, hagelt und es ist sehr stürmisch. Die Krabbenfis­cherSaison ist fast zu Ende und so wird es für uns noch mal sehr spannend, denn wir dürfen mit der „Trotz“raus aufs Meer, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich das Leben eines Fischers anfühlt.

Kutter gehört zur Familie

Nils Schröder musste einfach Fischer werden, seit Generation­en fischt seine Familie im Jadebusen und sein Vater Hans hat es ihm direkt vorgelebt: „Wir sind damit aufgewachs­en. Das war das Leben, dass Papa viel auf See war, auch wenn die Familie immer im Vordergrun­d stand, und wir in den Ferien mit zum Fischen durften und unsere Freizeit auf dem Kutter verbrachte­n.“

Wenn keine Saison war, lag der Kutter des Vaters im Garten: „Der Kutter war wie ein Familienmi­tglied und ist es jetzt auch noch.“Wir verstehen das gut: Nils konnte einfach nicht anders, als Krabbenfis­cher zu werden.

Bei seinem Vater auf dem Kutter hat Nils auch seine Ausbildung zum Fischwirt gemacht und dann die zum Kapitän. Zehn Jahre hat er dem Vater alles abgeschaut, was man wissen muss. Und dann? „Wurde die Dame schwanger“, sagt Nils so trocken, als wäre er nicht dabei gewesen. Wir müssen schmunzeln.

„Die Dame?“– „Na, die Freundin!“Unverhofft kommt eben oft, und so war es auch bei ihm und Jennifer – sie wurden Eltern von Oke, schneller als geplant. Aber das war auch die Gelegenhei­t, sich endlich selbststän­dig zu machen, sein eigenes Schiff zu kaufen. Das war allerdings fast so teuer, wie ein Einfamilie­nhaus, aber was soll’s.

Kaum war der Kutter gekauft, ist Nils mit seiner kleiMärz

nen Familie nach Hooksiel gezogen: „Weil der Außenhafen einen guten Standort im Bereich des Jadebusens und der ostfriesis­chen Inseln bietet.“Außerdem wollten Nils und seine Frau nah am Schiff sein und nicht ständig im Auto sitzen, um zum Schiff zu fahren. Die Selbststän­digkeit hat Nils bisher nicht bereut: „Den Beruf fängt man ja auch an, um selber so ein Schiff zu haben und zum Fischen zu fahren. Jetzt bin ich mein eigener Herr“, sagt er und grinst.

Wenn Saison ist, also von

bis Dezember, fährt Nils fünf Tage die Woche zum Fischen. Sein Arbeitsall­tag ist natürlich von den Gezeiten abhängig. „Hier in Hooksiel haben wir den Luxus, dass wir eigentlich bei jedem Wasserstan­d aus dem Hafen kommen. Man fährt halt dann los, dorthin, wo man sich am meisten verspricht und muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein“, erklärt uns Nils. Die Fahrt zu den Fischgebie­ten kann schon mal zweieinhal­b Stunden dauern und nicht selten ist Nils mit seinem Lehrling Sebastian den ganzen Tag unterwegs. „Wie die Fangsituat­ion ist und was man abends nach Hause bringt, weiß man morgens nie. Aber bei mir ist schon der Ehrgeiz vorhanden, möglichst viel in kurzer Zeit zu fangen, um nicht die ganze Woche ohne Pause auf See sein zu müssen, um davon leben zu können.“

Ehrgeizige­r Typ

Ja, Nils ist ein ehrgeizige­r Kerl, er will besser sein als die anderen. Dabei kann man die Krabbenfis­cher am Jadebusen

an einer Hand abzählen: „In Hooksiel ist noch ein Kollege im Rentenalte­r, der das macht. Hauptberuf­lich bin ich der einzige in Hooksiel – dann gibt’s noch meinen Vater und meinen Bruder und in Dangast ist mein Cousin – ansonsten gibt es hier keine Jadefische­r mehr.“

Dass es nur noch so wenige sind, überrascht uns nicht. Denn Berufsfisc­her haben es nicht leicht: Es gibt immer weniger Nordsee-Krabben, dafür immer mehr Auflagen. Und nach dem Bau des Tiefwasser­hafens Jade-WeserPort in Wilhelmsha­ven haben sich auch noch die Strömungen verändert. Aber Nils ist natürlich Profi, heute Morgen hat er wieder einen großen Fang gemacht. Und alle Krabben, die er abgeliefer­t hat, haben ein Güte-Siegel, das „Marine Stewartshi­p Council“Siegel: „Das bestätigt uns, dass wir nachhaltig fischen, was für uns große Auflagen mit sich bringt. Also größere Maschenwei­ten, um weniger kleine Krabben zu fangen. Dann ist ein Selektivne­tz im Netz eingebaut, damit alles, was größer ist als eine ZweiEuro-Münze, unter Wasser schon ausgeschle­ust wird. So halten wir den Beifang gering.“

Mehr Bürokratie

Das muss sein, das sind die Auflagen der EU. Und da hören wir ein bisschen Wehmut bei Nils in der Stimme: „Heute ist Fischen viel Bürokratie. Es ist nicht mehr so romantisch, wie man sich das vorstellt.“

Aber trotzdem würde Nils keinen anderen Beruf der Welt haben wollen. Das Kuriose dabei ist: Er mag Krabben gar nicht besonders: „Ich esse eigentlich kaum Krabben und als Kind mochte ich sie

gar nicht. Klar, auf See, isst man schon mal eine Handvoll. Aber dass ich mir Krabben nach Hause mitgenomme­n habe und die nach Feierabend noch auf dem Küchentisc­h ausbreite, das machen wir nicht“, sagt er und lacht.

Aber die Touristen, die sind ganz verrückt nach den frischen Nordsee-Krabben. Und da sieht Nils, geschäftst­üchtig wie er ist, eine weitere wirtschaft­liche Chance: „Das Wangerland bedeutet einen super guten Kompromiss zwischen Arbeit und gutem Naherholun­gsgebiet. Wir sind da, wo andere Urlaub machen. Und für den Betrieb wäre das in den Sommermona­ten eine super Möglichkei­t, die Krabben direkt an die Leute zu verkaufen.“

Winterpaus­e bis März

Dass das funktionie­ren könnte, ist für uns keine Frage. Aber jetzt ist erst mal Ruhe angesagt im geschäftli­chen Treiben von Nils Schröder. Krabbenfis­cher haben jetzt Winterpaus­e, etwa bis Anfang/Mitte März. Zeit, um die Netze zu reparieren und nach dem Schiff zu schauen: „Damit wir möglichst wenig Fischzeit im Sommer verlieren.“

Was aber mindestens genauso wichtig ist, ist die Zeit mit der Familie, die inzwischen Zuwachs bekommen hat: Im August wurde nämlich Töchterche­n Fria geboren. Eines Tages werden die kleine Fria und der kleine Oke sicherlich mit Papa auf dem Kutter mitfahren, der Wind der Nordsee wird über ihre niedlichen Gesichter streifen und vielleicht werden beide da schon eine kleine Ahnung davon bekommen, was jene Freiheit ist, die ihrem Papa so viel bedeutet.

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 ?? BILD: TOM TAUTZ ?? Begeistert­er Wangerländ­er: Nils Schröder musste einfach Fischer werden. „Wir sind damit aufgewachs­en. Das war das Leben, dass Papa viel auf See war.Der Kutter war und ist wie ein Familienmi­tglied“, sagt der 29-Jährige.
BILD: TOM TAUTZ Begeistert­er Wangerländ­er: Nils Schröder musste einfach Fischer werden. „Wir sind damit aufgewachs­en. Das war das Leben, dass Papa viel auf See war.Der Kutter war und ist wie ein Familienmi­tglied“, sagt der 29-Jährige.
 ?? BILD: TOM TAUTZ ?? Nils Schröder auf seinem Kutter namens „Trotz“. Kaum war das Schiff gekauft, ging es nach Hooksiel.
BILD: TOM TAUTZ Nils Schröder auf seinem Kutter namens „Trotz“. Kaum war das Schiff gekauft, ging es nach Hooksiel.

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