„Die FDP wird Druck machen“
Parteichef Christian Lindner über Regierungsbildung und Opposition
FRAGE: Auftakt der Verhandlungen von Union und SPD, die Zeichen stehen auf Große Koalition – haben Sie sich mit dem Abbruch der JamaikaVerhandlungen verzockt? LINDNER: Seit Monaten stellen Sie solche Fragen. Ihre Leser sind längst weiter. Und wir sind in der Offensive. Die letzten Umfragen sehen uns bei zehn Prozent, trotz harter Angriffe von allen Seiten. Viele Menschen haben erkannt, dass Große Koalition und Jamaika im Grunde dasselbe gewesen wären. Zweimal wurden Widersprüche nach Methode Merkel mit Steuergeld zugeschüttet. Wir wollen aber das Land mit einer Agenda 2030 erneuern. Die FDP wird im Parlament Druck auf die Regierung machen. FRAGE: Was, wenn die Koalitionsverhandlungen scheitern? Steht die FDP dann doch wieder bereit? LINDNER: Nachdem wir unsere klare Haltung dokumentiert haben, ist das eine recht abwegige Frage. Sehr wahrscheinlich kommt nun Schwarz/Rot. Ich gehe davon aus, dass es neue Gespräche erst nach einer nächsten Wahl gibt. Dann wird man sehen, um welche Konstellation es geht und was sie erlaubt. In allen Parteien stehen die Zeichen auf Erneuerung. Wir mussten uns zwangsläufig nach der Niederlage 2013 verändern. Wir sind konsequenter liberal und eigenständiger. Die Grünen erhalten jetzt eine neue Parteiführung. In der SPD gibt es nicht nur bei den Jusos den Wunsch nach Erneuerung. Auch die CSU steht vor einem Führungswechsel. Was in der CDU passiert, wird die spannende Frage der nächsten drei Jahre sein. FRAGE: Wie sehr trauern Sie den Gr3nen als Koalitionspartner hinterher? LINDNER: Die Frage verstehe ich nicht. Wir haben uns auf Bundesebene doch bewusst gegen die Grünen entschieden. Die Grünen waren bei den Jamaika-Verhandlungen
nach eigener Aussage die letzte verbliebene linke Partei. Im Fahrwasser von Jürgen Trittin wollten die mit Fahrverboten und Subventionen die Wirtschaft umbauen, alles gleichmachen und Menschen erziehen. Ich bin gespannt, ob ein Generationenwechsel die Partei stärker in die Mitte des politischen Spektrums führt und sie somit interessanter wird. FRAGE: Die geschäftsf3hrende Bundesregierung macht aus dem bisherigen 45ein6 Deutschlands zur Vergemeinschaftung des Sparerschutzes im Euroraum ein 4Ja, aber6. Kommt 7etzt die Schuldenund 8aftungsunion? LINDNER: Frau Merkel nutzt die Regierungsbildung und das Ausscheiden von Wolfgang Schäuble aus der Bundesregierung, um die deut- sche Position zur Wirtschaftsund Währungsunion zu verändern. Deutschland war immer der Garant für die finanzpolitische Eigenverantwortung der Staaten. Der Deutsche Bundestag war bisher immer an allen Rettungsaktionen in den Krisen beteiligt. Das scheint jetzt infrage gestellt zu werden. FRAGE: Die Bundesregierung reagiert auf die Militäroffensive in Syrien und stoppt die geplante Aufr3stung t3rkischer Leopard-Panzer. Eine richtige Entscheidung? LINDNER: Ja, das ist nachvollziehbar. FRAGE: Die Militäroffensive und die Angriffe auf die Kurdenmiliz in Syrien sind völkerrechtlich umstritten. Wie bewerten Sie das Vorgehen der T3rkei? LINDNER: Die Türkei verhält sich nicht, wie wir es von einem Nato-Verbündeten erwarten dürfen. Die Türkei handelt auf eigene Rechnung und stellt sich gegen die gemeinsamen Interessen des Bündnisses. Die Türkei entfernt sich nicht nur von der Europäischen Union, sondern auch von der Nato. Man kann nur darauf hoffen, dass das türkische Volk erkennt, dass die Politik von Erdogan nicht in seinem Interesse ist.