Nordwest-Zeitung

„Die FDP wird Druck machen“

Parteichef Christian Lindner über Regierungs­bildung und Opposition

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

FRAGE: Auftakt der Verhandlun­gen von Union und SPD, die Zeichen stehen auf Große Koalition – haben Sie sich mit dem Abbruch der JamaikaVer­handlungen verzockt? LINDNER: Seit Monaten stellen Sie solche Fragen. Ihre Leser sind längst weiter. Und wir sind in der Offensive. Die letzten Umfragen sehen uns bei zehn Prozent, trotz harter Angriffe von allen Seiten. Viele Menschen haben erkannt, dass Große Koalition und Jamaika im Grunde dasselbe gewesen wären. Zweimal wurden Widersprüc­he nach Methode Merkel mit Steuergeld zugeschütt­et. Wir wollen aber das Land mit einer Agenda 2030 erneuern. Die FDP wird im Parlament Druck auf die Regierung machen. FRAGE: Was, wenn die Koalitions­verhandlun­gen scheitern? Steht die FDP dann doch wieder bereit? LINDNER: Nachdem wir unsere klare Haltung dokumentie­rt haben, ist das eine recht abwegige Frage. Sehr wahrschein­lich kommt nun Schwarz/Rot. Ich gehe davon aus, dass es neue Gespräche erst nach einer nächsten Wahl gibt. Dann wird man sehen, um welche Konstellat­ion es geht und was sie erlaubt. In allen Parteien stehen die Zeichen auf Erneuerung. Wir mussten uns zwangsläuf­ig nach der Niederlage 2013 verändern. Wir sind konsequent­er liberal und eigenständ­iger. Die Grünen erhalten jetzt eine neue Parteiführ­ung. In der SPD gibt es nicht nur bei den Jusos den Wunsch nach Erneuerung. Auch die CSU steht vor einem Führungswe­chsel. Was in der CDU passiert, wird die spannende Frage der nächsten drei Jahre sein. FRAGE: Wie sehr trauern Sie den Gr3nen als Koalitions­partner hinterher? LINDNER: Die Frage verstehe ich nicht. Wir haben uns auf Bundeseben­e doch bewusst gegen die Grünen entschiede­n. Die Grünen waren bei den Jamaika-Verhandlun­gen

nach eigener Aussage die letzte verblieben­e linke Partei. Im Fahrwasser von Jürgen Trittin wollten die mit Fahrverbot­en und Subvention­en die Wirtschaft umbauen, alles gleichmach­en und Menschen erziehen. Ich bin gespannt, ob ein Generation­enwechsel die Partei stärker in die Mitte des politische­n Spektrums führt und sie somit interessan­ter wird. FRAGE: Die geschäftsf­3hrende Bundesregi­erung macht aus dem bisherigen 45ein6 Deutschlan­ds zur Vergemeins­chaftung des Sparerschu­tzes im Euroraum ein 4Ja, aber6. Kommt 7etzt die Schuldenun­d 8aftungsun­ion? LINDNER: Frau Merkel nutzt die Regierungs­bildung und das Ausscheide­n von Wolfgang Schäuble aus der Bundesregi­erung, um die deut- sche Position zur Wirtschaft­sund Währungsun­ion zu verändern. Deutschlan­d war immer der Garant für die finanzpoli­tische Eigenveran­twortung der Staaten. Der Deutsche Bundestag war bisher immer an allen Rettungsak­tionen in den Krisen beteiligt. Das scheint jetzt infrage gestellt zu werden. FRAGE: Die Bundesregi­erung reagiert auf die Militäroff­ensive in Syrien und stoppt die geplante Aufr3stung t3rkischer Leopard-Panzer. Eine richtige Entscheidu­ng? LINDNER: Ja, das ist nachvollzi­ehbar. FRAGE: Die Militäroff­ensive und die Angriffe auf die Kurdenmili­z in Syrien sind völkerrech­tlich umstritten. Wie bewerten Sie das Vorgehen der T3rkei? LINDNER: Die Türkei verhält sich nicht, wie wir es von einem Nato-Verbündete­n erwarten dürfen. Die Türkei handelt auf eigene Rechnung und stellt sich gegen die gemeinsame­n Interessen des Bündnisses. Die Türkei entfernt sich nicht nur von der Europäisch­en Union, sondern auch von der Nato. Man kann nur darauf hoffen, dass das türkische Volk erkennt, dass die Politik von Erdogan nicht in seinem Interesse ist.

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