Nordwest-Zeitung

Ein ehemaliger Pädagoge packt aus

Dirk Oesterreic­h gewährt in seinem Buch „Die Lehrer-Challenge“interessan­te Einblicke

- VON LARS LAUE

Der Autor hat 27 Jahre lang unterricht­et und im Schuldiens­t viel erlebt. Zu manchen Kollegen schaut er auf, andere nennt er „:orthülsena­krobaten.“

6RAGE7 Herr Oesterreic­h, Ihr Buch heißt „Die Lehrer-Challenge. Ein Wegbegleit­er für alle, die gerne als Pädagogen wirken – möchten“. Bevor Sie aus gesundheit­lichen Gründen in den Vorruhesta­nd wechseln mussten, waren Sie selbst lange Jahre im Schuldiens­t tätig. Was verbinden Sie mit Ihrer Zeit als Lehrer? OESTERREIC­87 Ich war 27 Jahre als Lehrer im Schuldiens­t tätig. Die meiste Zeit, so hoffe ich, als Pädagoge. Es war mein Traumberuf. Ich hatte vorher Industriek­aufmann in einer Kartonfabr­ik in Varel gelernt und insgesamt sieben Jahre in dem Unternehme­n gearbeitet. Aber als Pädagoge zu wirken, hat mich erfüllt. Es ist ein Beruf, kein Job. Der Beruf kommt von Herzen – der Job vom Hirn. Ich habe in dieser Zeit als Lehrer sehr beeindruck­ende Pädagogen kennengele­rnt, von denen ich einigen sicherlich nicht das Wasser reichen kann. Aber auch einige Joblehrer, mit denen ich nichts anfangen konnte und kann. Ich empfand es als Geschenk, junge Menschen auf einem Teil ihres Lebenswege­s zu begleiten, ja diesen zumindest partiell mit zu gestalten. Als eine Art partieller Lebensschi­enenleger. Ich habe mich die ganze Zeit, so hoffe ich, dem pädagogisc­hen Dreigestir­n verpflicht­et gefühlt: Pflicht, Idealismus, Empathie. Ein wichtiger Bestandtei­l des Idealismus ist die Authentizi­tät. Sie können nicht idealistis­ch sein/wirken, ohne authentisc­h zu bleiben. Verlogenhe­it lehne ich ab. Ich bin Pädagoge geworden, um zu unterricht­en und nicht, um mich auf irgendwelc­hen Nebenschau­plätzen zu tummeln, egal wie beförderun­gswirksam das auch gewesen wäre. Unterricht steht im Fokus unserer Tätigkeit und

nicht irgendwelc­he abstrusen und meist inhaltslee­ren Worthülsen. Es war für mich und es ist einfach nur erfüllend, mit jungen Menschen zu arbeiten. 6RAGE7 Würden Sie den Beruf wieder wählen oder jungen Menschen heute dazu raten, Lehrer zu werden? OESTERREIC­87 Ja, klar. Immer wieder. Es ist ein Traumberuf für die, die sich für das bereits angesproch­ene pädagogisc­he Dreigestir­n öffnen. 6RAGE7 Was war Ihre Motivation, das Buch zu verfassen? OESTERREIC­87 Ich möchte zeigen, wie grandios es sein kann, als Lehrkraft zu wirken, wenn sich die entspreche­nde Person für die meiner Meinung nach äußerst erstrebens­werte

Stufe des Pädagogen oder der Pädagogin öffnet und sich nicht aus unterschie­dlichen Motiven auf der Stufe des „JobLehrers“festbeißt. Ich gebe Tipps, zeige Irrungen Hat und Wirrungen auf, es

Lehrer-Challenge“die in der Regel weder in

sich: von der Uni noch vom Seminar behandelt werden. 6RAGE7 Zuweilen kommen Ihre Kollegen in dem Buch nicht so gut weg. Etwa diejenigen, die darunter leiden, wenn sie Nebenfäche­r unterricht­en müssen und ihren Frust dann an den Schülern auslassen. Was sind Sie für ein Typ Pädagoge und welchen Schlag Lehrer braucht es heute, damit Kinder und Jugendlich­e Spaß am Lernen haben? „Die OESTERREIC­87 Ich war ein Pädagoge. Wie gut, müssen meine ehemaligen Schüler beurteilen. Ich habe mich nie so wichtig genommen. Klar bin ich wichtig, ich stehe vorne, auch wenn ich irgendwo zwischen den Schülern sitze, und bin die Lehrkraft. Die bestimmt, wo es langgeht. Die Frage ist nur, wie. Ich habe versucht. meine Schüler als junge Erwachsene zu behandeln, die sich auch mal daneben benehmen dürfen. Machen wir doch auch, oder? „Mal“und „auf welcher Art und Weise“ist dabei wichtig. Wir sowie die Schüler sind ein integrativ­er Bestandtei­l des Unterricht­s. Ich habe immer versucht, meinen Schülern das Gefühl zu geben, dass sie mir bei „sicher“sind. Das heißt, dass ich für sie da bin. Dass sie sich auf mich verlassen können. Und dabei war es mir völlig egal, ob vor mir Christen oder Moslems saßen. Ich habe ihnen immer gesagt, dass es mir schnurzpie­pe ist, wen oder was sie anbeten und wenn es ihr Smartphone ist. Die demokratis­ch freiheitli­che Grundordnu­ng der BRD muss von allen akzeptiert werden. Der Mensch zählt zuerst und nicht seine Hautfarbe oder Religion oder sein Beruf. 6RAGE7 Und der Spaß am Lernen? OESTERREIC­87 Spaß am Lernen ... Tja, nicht alle Themen machen Spaß. Aber zurück zu Ihrer Frage. Schüler benötigen Lehrkräfte, die gradlinig sind, die konfliktfä­hig sind, auf die sie sich verlassen können. Lehrkräfte, die am Ende eines Schuljahre­s auch noch zu dem stehen, was sie am Schuljahre­sanfang gesagt hatten. Schüler benötigen Lehrkräfte, die für die Schüler da sind und nicht Idealismus und Empathie heucheln. Schüler brauchen dringend Lehrkräfte, die sich dem pädagogisc­hen Dreigestir­n verpflicht­et fühlen. 6RAGE7 Warum haben Sie das Buch unter dem Pseudonym Autriche geschriebe­n? OESTERREIC­87 Tja, Autriche ist eine Fassade, hinter der ich mich verstecke. Wer dieses Buch liest und mich kennt, errät sofort, dass ich hinter dem Pseudonym stecke. 6RAGE7 Aber was soll das? OESTERREIC­87 Ich stehe nicht so gerne im Mittelpunk­t. In meiner langjährig­en Berufstäti­gkeit habe ich gelernt, dass Worthülsen­akrobaten das Blitzlicht­gewitter nötiger brauchten als ich.

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