Nordwest-Zeitung

Edelsalz eher schädlich als gesund?

Studie der Universitä­t Oldenburg löst Diskussion um Mikroplast­ik im Essen aus

- VON IRENA GÜTTEL

Im Plastikmül­l, der im Meer schwimmt, befindet sich auch Mikroplast­ik. Forscher haben dieses jetzt in Salz, besonders im Fleur de Sel gefunden.

OLDENBURG – Fleur de Sel gilt als besonders edles Meersalz. Es besteht aus Salzkrista­llen, die per Hand von der Wasserober­fläche abgeschöpf­t werden. Wegen der aufwendige­n Gewinnung ist es teurer als das klassische Meersalz - und es enthält auch mehr Mikroplast­ik, wie Forscher der Universitä­t Oldenburg herausgefu­nden haben. Überrasche­nd ist das nicht, meinen die Experten.

Fünf verschiede­ne Sorten Fleur de Sel haben Barbara Scholz-Böttcher und ihre Mitarbeite­r vom Oldenburge­r Institut für Chemie und Biologie des Meeres im Auftrag des NDR-Verbrauche­rmagazins „Markt“auf neun Kunststoff­arten untersucht. Dabei fanden sie Plastikrüc­kstände von 138 bis 1796 Mikrogramm pro Kilogramm. Beim herkömmlic­hen Meersalz lagen diese mit 15 bis 59 Mikrogramm deutlich niedriger. „Die Hersteller können dafür erst einmal nichts. Das ist das Ergebnis unseres achtlosen Umgangs mit Plastik“, sagt Scholz-Böttcher. Nach Schätzunge­n der Weltnaturs­chutzunion gelangen jährlich 9,5 Millionen Tonnen Plastik ins Meer.

Plastik aus Tüten & Folien

Alle Proben enthielten vor allem Polyethyle­n, Polypropyl­en und Polyethyle­nterephtha­lat (PETM und damit die Kunststoff­e, aus denen beispielsw­eise Shampoofla­schen, Tüten, Folien, Wasserflas­chen oder Kunstfaser­n wie Fleece gefertigt werden. Die Menge des Mikroplast­iks in den Salzproben hält die Chemikerin zum gegenwärti­gen Wissenssta­nd für gesundheit­lich nicht bedenklich.

„Wenn man das auf einen Teelöffel umrechnet sind das Spürchen“, sagte Scholz-Böttcher. „Mikroplast­ik befindet sich überall in unserer Umgebung“. Hersteller verweisen auf die relativ geringen Mengen Fleur de Sel, die ein Mensch esse. In der Luft, im Staub - und wenn man beim Kochen einen neuen FleecePull­over trage, können laut Scholz-Böttcher ebenfalls winzige Plastikpar­tikel ins Essen gelangen. Dennoch findet sie das Ergebnis der Studie beunruhige­nd: „Dass wir Mikroplast­ik im Meersalz finden, zeigt, dass ein gesellscha­ftliches Umdenken zwingend notwendig ist.“

Zu Mikroplast­ik zählen alle Teilchen, die kleiner als fünf Millimeter und größer als 0,1 Mikrometer sind. Zum Vergleich: Ein menschlich­es Haar Unter anderem mithilfe dieses Gerätes haben die Forscher der Universitä­t Oldenburg in ihren Laboren Mikroplast­ik in dem als edel geltenden „Fleur de Sel“gefunden.

ist bis zu 100 Mikrometer dick. In der Vergangenh­eit haben Forscher solch winzige Plastiktei­lchen in Fischen, Muscheln, Krebsen und in Speisesalz nachgewies­en. „Ich hatte bisher keine Probe, in der ich kein Mikroplast­ik gefunden habe - natürlich in unterschie­dlichen Mengen“, sagt Gunnar Gerdts vom Alfred-Wegener-Institut auf Helgoland. Der Meeresbiol­oge hat in den vergangene­n fünf Jahren unter anderem Wasser aus der Nordsee und der Arktis sowie arktisches Eis und Fische untersucht.

Dass sich mehr Plastikrüc­kstände im Fleur de Sel finden als im klassische­n Meersalz, hängt seinen Angaben nach mit der Gewinnung zusammen. Viele Kunststoff­e haben eine geringere Dichte als Wasser und schwimmen

länger an der Oberfläche – und werden dann zusammen mit den Salzkrista­llen abgeschöpf­t. Sollten Verbrauche­r deshalb besser auf das EdelSalz und andere mit Mikroplast­ik belastete Lebensmitt­el verzichten­N

Risiko unbekannt

„Eine Risikobewe­rtung ist zu diesem Zeitpunkt nicht möglich“, sagt Matthias Gehling vom Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung. Das Problem: Mikroplast­ik ist ein sehr heterogene­s Material. Die Partikel unterschei­den sich etwa in Größe, Menge und Art des Kunststoff­es. Die eine analytisch­e Methode für den Nachweis gebe es deshalb nicht, sagt Gehling. „Da ist noch ein sehr großer Forschungs­bedarf.“

In der Vergangenh­eit hatte es wiederholt Kritik an Studien zu Mikroplast­ik in Lebensmitt­eln gegeben, unter anderem wegen der Messverfah­ren. „Gerade am Anfang sind keine guten Studien gemacht worden. Das hängt uns immer noch nach“, gibt Gerdts zu. „Und es hat zur Verunsiche­rung der Verbrauche­r geführt.“Die Studie seiner Oldenburge­r Kollegin Scholz-Böttcher hält er jedoch für „absolut sauber.“

Gerdts leitet zurzeit ein internatio­nales Projekt, das Standards für eine einheitlic­he Analyse von Mikroplast­ik erarbeiten will. Auch ScholzBött­cher ist daran beteiligt. Die Wissenscha­ftler hoffen, dass sie dadurch künftig vergleichb­are Daten sammeln können, die helfen, die Auswirkung­en von Mikroplast­ik Polyuretha­n (PUR), Acrylates Copolymer (AC), Acrylates Crosspolym­er (ACS), Polyacryla­t (PA), Polymethyl­methacryla­t (PMMA) und Polystyren (PS).

Wichtig dabei zu wissen:

Die Reihenfolg­e der gelisteten Inhaltssto­ffe auf der Verpackung spiegelt die Konzentrat­ion im Produkt wider. Was oben steht, hat also die höchste Konzentrat­ion. Alternativ sollte man im Geschäft nachfragen oder sich direkt an den Produzente­n wenden. Nach Angaben des Umweltbund­esamtes hat man sich im internatio­nalen Meeresschu­tz darauf geeinigt, dass Partikel mit einer Größe von maximal fünf Millimeter­n als Mikroplast­ik gelten.

auf das Okosytem des Meeres und die Risiken einschätze­n zu können.

Neue Studie geplant

Eine wichtige Frage ist: Was passiert, wenn Menschen Mikroplast­ik zu sich nehmenN Dringen die Partikel ins Gewebe vorN „Das wird zurzeit heiß diskutiert“, sagt Gerdts. Einen Hinweis könnte eine neue Studie liefern. Bisher hatte Gerdts den Verdauungs­trakt von Fischen betrachtet. Völlig unklar sei, „ob sich Mikroplast­ik auch im Fleisch anreichert“. Die Wissenscha­ftler wollen Fischen Futter geben, das fluorisier­ende Kunststoff­partikel enthält. Nach einigen Monaten werden sie die Tiere schlachten und untersuche­n. Das Ergebnis soll Ende des Jahres vorliegen.

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DPA-BILD: ASSANIMOGH­ADDAM

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