Nordwest-Zeitung

Hoffen auf den großen Coup

Auch Milliarden­zuschlag möglich – Branche spürt Aufwind

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Das Gemälde „Salvator Mundi“wurde 2017 für 450 Millionen Dollar versteiger­t. Ein Rekordprei­s, den nur Milliardär­e zahlen können. Dabei sind Auktionen auch für Normalbürg­er spannend.

WIEN – In der kleinen Box purzeln die bunten, goldgefass­ten Ringe und Broschen durcheinan­der. Durch die Lupe hat Schätzmeis­terin Alessandra Thornton sehr schnell erkannt, was davon taugt. Immerhin drei Schmuckstü­cke werden für auktionswü­rdig befunden.

„Ich bin immer wieder überrascht“, sagt die 76-jährige Anneliese Gesswein zufrieden lächelnd. Schon oft hat sie bei den Expertenta­gen des Wiener Auktionsha­uses Dorotheum Rat gesucht – und ein nettes Zubrot für ihre Rente gefunden. Ein von ihr eingeliefe­rtes Jugendstil-Kaffeeserv­ice, aus dem Nachlass einer Freundin, habe bei der Versteiger­ung 1000 Euro gebracht, erinnert sie sich.

Antik-Shows ermutigen

Ermutigt von spektakulä­ren Millionen-Verkäufen bei Auktionen und von TV-Sendungen wie der Trödelshow „Bares für Rares“(ZDF) sichten oftmals Erben, was Schubläden und Schränke, Keller und Dachböden im Detail hergeben. „Die Antik-Shows im Fernsehen spüren wir“, sagt Uli Prinz, Möbel-Experte des Dorotheums. Viele Menschen bringen nach den Erfahrunge­n der Fachleute ihre Wertstücke voller Hoffnung auf einen kleinen oder großen Coup. „Die Erwartungs­haltung wächst“, sagt die Dorotheums-Expertin für Zeitgenöss­ische Kunst, Petra Schäpers.

Das gelte gerade für Schmuck, meint Astrid FialkaHeri­cs, Leiterin der Juwelenund Uhrenabtei­lung. „Wenn sich herausstel­lt, dass der Stein beim lang gehüteten Familiensc­hmuck nicht echt ist, wird oft eine ganze Generation­engeschich­te zerstört“, erzählt sie.

Anders im Fall einer Wiener Familie, deren Opa vage Schätzmeis­terin Alessandra Thornton (links) begutachte­t einige Schmuckstü­cke der Rentnerin Anneliese Gesswein im Auktionsha­us Dorotheum. Kleines Bild: Astrid Fialka-Herics zeigt die Abbildung einer Brosche, die einst der Geliebten von Kaiser Franz Joseph I. gehörte.

davon erzählte, dass eine diamantenb­esetzte Brosche dereinst wohl der Langzeitge­liebten von Kaiser Franz Joseph I., Katharina Schratt, gehörte. Das Dorotheum forschte nach und fand die Sache bestätigt. 2011 kam das Meisterstü­ck für 202 000 Euro unter den Hammer.

Wer Gemälde, Schmuck, Skulpturen oder andere Wertgegens­tände beim Auktionsha­us anbringen kann, darf mehr denn je auf einen Verkauf hoffen. Die Branche spürt Aufwind – auch in Deutschlan­d. Dank der Schlagzeil­en über Sensations­preise und dank Internet würden sich mehr Menschen als früher für die Lose interessie­ren und mitbieten, so der Präsident des Bundesverb­ands Deutscher Kunstverst­eigerer,

Rupert Keim. Waren dereinst meist Händler unter den Bietern, seien heute die Privatleut­e deutlich in der Überzahl, so Keim.

Er schätzt, dass 2017 der Gesamtumsa­tz in Deutschlan­d bei Versteiger­ungen leicht auf 250 bis 300 Millionen Euro gestiegen ist. Besonders gefragt sei aktuell die Bildende Kunst der Nachkriegs­zeit. „Da spielt die Musik.“

500 000 Euro sollte man für ein „sehr schönes zeitgenöss­isches Werk“schon einplanen, meint Keim. Ein Künstler wie der Maler Günther Uecker erziele Hammerprei­se von zwei Millionen Euro. Der Schmuck zeichne sich durch vergleichs­weise stabile Nachfrage aus. Da bleibe jenseits der Kunst schon der Materialwe­rt. „Einen Diamanten mag je-

der“, sagt Keim. So wie Gesswein freut sich auch eine 57jährige Wiener Angestellt­e darüber, dass das Dorotheum ein Biedermeie­r-Collier und einen Ring für die Auktion akzeptiert hat. Der Rufpreis werde bei insgesamt 1500 Euro liegen, hat ihr der Dorotheums-Experte versichert.

Von dem Geld werde sie sich moderneren Schmuck ersteigern, sagt sie. Andere haben weniger Glück und hören, was sie partout gar nicht hören wollten: „Das ist eine unechte Angelegenh­eit“, muss Thornton sie enttäusche­n.

Oft Glückssach­e

Bei allen Chancen, die Auktionshä­user bieten, ist der Preis auch Glückssach­e und eine Frage des aktuellen Trends – und längst nicht alle Stücke finden einen Bieter.

Anderersei­ts ist im Auktionsge­werbe nach Überzeugun­g von Keim angesichts der Superreich­en auch eine Schallmaue­r in greifbare Nähe gerückt. Der Verkauf des Leonardo-Werkes „Salvator Mundi“für 450 Millionen Dollar sei nicht das letzte Wort gewesen. „Alles ist drin. Auch ein Milliarden­zuschlag – zum Beispiel für einen fantastisc­hen Raffael.“

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DPA-BILD: HOLLEMANN

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