Nordwest-Zeitung

En"rIischer Kampf gegen alle Spießbürge­r

,er vermutlich dienstälte­ste deutsche Krimiautor Horst Bosetzky wird 80 Jahre alt

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BERLIN – Geboren in Köpenick, aufgewachs­en in Neukölln, gelebt in Charlotten­burg und Frohnau oder Wilmersdor­f: Kein Zweifel, -ky alias Professor Dr. Horst Bosetzky ist und bleibt Urberliner Gestein. Allein über die Berliner S-Bahn könnte der Schriftste­ller und Ex-Hochschull­ehrer stundenlan­g reden. Über die Wagentypen, das Gewaltsame des Antriebs, die Geräusche, die sozialen Vorgänge, die sinnlichen Eindrücke: „Da sehe ich die Leute, höre ihnen zu, rieche sie.“

Der Mief Berlins hängt auch seinen mehr als 60 Büchern, zumeist Krimis, an, hat Soziologe und Autor: Horst Bosetzky

ihrer Wirkung aber nie geschadet. „Selbst ins Chinesisch­e hat man einige meiner Bücher übersetzt“, weiß er. Und dass er keinen Cent dafür bekommen hat. Was den am 1. Februar 80 Jahre alt werdenden Auflagenmi­llionär am meisten ärgert? Weniger das Geld, sondern was alle ärgert: dass wir sterblich sind.

Ganz offensicht­lich ist das Fasziniere­nde seiner Persönlich­keit identisch mit einer Mischung aus verhaltene­m Stolz und offen zur Schau getragenem Leid, das sich traurig in seinen blauen Augen spiegelt. Wer sich dem Mann nähert, den verblüfft, was hinter der Fassade des Erfolgs zum Vorschein kommt: Ärger über versäumte Chancen (aus der Zusammenar­beit mit dem späteren Hollywood-Regisseur Wolfgang Petersen hätte mehr werden können), die körperlich­en Beschwerde­n, Rückenleid­en, Gallenstei­ne, kürzlich eine OP.

Ach, kein Sieger tritt auf uns zu. Anderersei­ts ist Bosetzky fleißig, aktiv, unruhig. Er ist ein Morgenmens­ch und Schnellsch­reiber. Erst absolviert­e er eine Lehre bei Siemens. Sein Studium der Soziologie schloss er dann 1969 mit einer Promotion ab.

Vier Jahre später war er Professor an der Fachhochsc­hule für Rechtspfle­ge in Berlin. Arbeiten zu „Problemen des Strafvollz­ugs“bereiteten den Boden für die SozioKrimi­s. Kollegen waren es, die den Braten schon in den 70erJahren rochen. -ky: Das Pseudonym (besonders von rororo-Krimis) wackelte, obwohl Bosetzky die Urhebersch­aft tapfer leugnete.

Eines Tages musste er die Flucht nach vorn antreten. Es war kein Scherz, als er am 1. April 1981 im Fernsehen das Pseudonym lüftete. Das Drehbuchun­d Hörspielsc­hreiben für Serien wie „Tatort“oder „Soko 5113“hatte er sich da längst selbst beigebrach­t.

Bis heute ist er ein Altlinker geblieben. Der prüde Spießbürge­r war ihm immer ein Graus, in seinen Krimis hat er ihn geteert und gefedert. 1971 war „Zu einem Mord gehören zwei“erschienen, der erste -ky-Krimi mit Kommissar Mannhardt. In den letzten Jahren fasziniert­en ihn historisch­e Stoffe und die eigene Familienge­schichte – natürlich mit Bezug auf Berlin.

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DPA-BILD: JENS KALAENE

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