Wellinger springt ins Glück
22-Jähriger gewinnt in stundenlangem Wettkampf sensationell Gold
Das Springen am späten Abend war von Kälte und Windpausen geprägt. Markus Eisenbichler und Richard Freitag kamen auf die Plät5e acht und neun.
PYEONGCHANG – Die Gefühlswelt von Andreas Wellinger war auch am Tag nach seinem Olympia-Coup noch völlig durcheinander. Mit feuchten Augen stand der Gold-Springer bei Eiseskälte auf der großen Medal Plaza in Pyeongchang. Fassen konnte er seinen Triumph bei den Olympischen Winterspielen aber auch nach einer viel zu kurzen Nacht nicht. „Ich brauche noch viele Tage, um das zu realisieren. Mein Körper zittert, das ist unbeschreiblich“, sagte Wellinger, der das erste deutsche Einzel-Gold im Skispringen seit Jens Weißflog 1994 geholt hatte.
Hinter Wellinger lagen turbulente Stunden. Dem GoldTriumph folgte der Party-Marathon im brodelnden Deutschen Haus. Dass Wellinger feiern kann, bewies er eindrucksvoll. „Oans, zwoa, gsuffa“, jubilierte der 22-Jährige
wie im Oktoberfestzelt, bevor er weit nach 2 Uhr mit Biathlon-Königin Laura Dahlmeier die Korken knallen ließ und Sekt in die Menge spritzte.
Der Triumph von Pyeongchang überwältigte Wellinger so sehr, dass ihm auch lange nach seinem Sieg fast wieder die Tränen kamen. „Wenn ich daran denke, dann könnte ich die ganze Zeit heulen, weil es so geil ist“, sagte der Bayer und fügte hinzu: „Der Kopf ist leer, die Emotionen gehen über die Decke hinaus. Das war der Wahnsinn.“
Es wurde eine lange Feier, die mit Gold-Pendant Dahlmeier und seinen Adler-Kollegen erst um 5 Uhr endete. „Das ist ein Riesenfreudentag für Skisprung-Deutschland“, sagte Bundestrainer Werner Schuster über den Erfolg, den
Wellinger nach einer knapp dreistündigen Hängepartie und mehreren längeren Windpausen feiern durfte. „Es hat jetzt mal absolut der Richtige gewonnen“, fügte Schuster an.
Der zweite Olympiasieg nach Team-Gold in Sotschi 2014 packte den lässigen Gefühlsmenschen so sehr, dass er noch während des Wettkampfes zu weinen begann. Als Wellingers Sieg um 0.15 Uhr Ortszeit bei minus 13 Grad und weniger als 1000 Zuschauer in der vom Wind beeinflussten Entscheidung feststand, gab es kein Halten mehr. Die Teamkollegen herzten Wellinger, der gut eingepackte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier klatschte als einer der wenigen verbliebenen Zuschauer
freudig in die Hände.
So ließ sich Wellinger die lange Party-Nacht nach der kalten Skisprung-Nacht nicht entgehen. Schon an der Schanze sehnte er eine Belohnung für seine Gold-Flüge herbei. Schnell brauche er sein Weißbier, rief der Ruhpoldinger. Kaum im Deutschen Haus angekommen, hielt er bereits ein volles Glas in der Hand. „Jetzt muss ich zum Glück erstmal drei Tage nicht skispringen“, sagte er auf der Bühne und lachte.
Schon am Samstag auf der Großschanze und am Montag danach im Team gibt es zwei weitere Chancen auf Olympia-Gold. Mit Markus Eisenbichler als Achtem, Richard Freitag auf Rang neun und Karl Geiger als Zehntem sieht das DSV-Team auch kollektiv stark und ambitioniert aus.
Tournee-Sieger Kamil Stoch, Teamkollege Freitag und Geheimfavorit Daniel Andre Tande: Sie alle konnten nur zusehen, wie Wellinger im zweiten Sprung bei 113,5 Metern einen sauberen Telemark setzte und sich damit einen Kindheitstraum erfüllte. „Wenn man darüber nachdenkt, dass da jetzt mein eigener Name neben einer Goldmedaille steht, das ist der Wahnsinn“, sagte Wellinger.