Der Unmut der Genossen
S%hulz tritt ab, S%holz übernimmt und Nahles muss warten
Uigentli%h sollte Andrea Nahles sofort den Parteivorsitz übernehmen. Dagegen gab es aber heftigen Widerstand von der SPD-Basis.
BERLIN – Geschafft – zumindest fast: Erleichtert und erschöpft tritt Andrea Nahles am Dienstagabend vor die Kameras im Willy-Brandt-Haus. Einstimmig ist die SPD-Bundestagsfraktionschefin gerade von Präsidium und Vorstand zur neuen Parteichefin nominiert worden und tritt die Nachfolge von Martin Schulz an, der am Nachmittag offiziell zurückgetreten war.
Die Kür soll aber erst auf einem Sonderparteitag am 22. April in Wiesbaden erfolgen. Die breite Unterstützung der Führungsgremien sei ihr eine „große Freude“, sagt Nahles, sie werde die Verantwortung „gerne wahrnehmen“und sich jetzt „voll reinhängen“, um die SPD-Basis beim anstehenden Mitgliederentscheid von einem Ja zur Großen Koalition zu überzeugen. „Es geht darum, dass wir jetzt wirklich einsteigen in den Werbefeldzug für das gute Ergebnis, das wir rausgeholt haben.“
Scholz springt ein
Die designierte Parteichefin will einen Schlussstrich ziehen unter die quälenden Personaldebatten, endlich den Blick auf die sozialdemokratischen Errungenschaften lenken. Aber sind die ChaosTage der Genossen wirklich vorbei? Der Stabwechsel von Schulz zu Nahles verläuft weniger glatt als geplant. Mehrere Landesverbände verhindern, dass Nahles umgehend zur kommissarischen Parteichefin bestimmt wird. Stattdessen übernimmt der dienstälteste Parteivize, Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz, kommissarisch die Geschäfte.
Kurz zuvor, um 18.37 Uhr, tritt Martin Schulz noch einmal vor die Journalisten im Willy-Brandt-Haus. Er habe das Präsidium informiert, „dass ich mit dem heutigen Tag vom Amt des Vorsitzenden der SPD zurücktrete“, sagt er. Die Erleichterung ist ihm anzumerken. Sein knappes Jahr an der Parteispitze sei von „Höhen und Tiefen“geprägt gewesen, „wie man es in der Politik selten erlebt“, fasst er das Desaster seiner elf Monate als SPD-Chef zusammen. „Das bleibt einem nicht in den Klamotten Willy winkt zum Abschied: Martin Schulz verlässt nach seinem Statement das Foyer des Willy-Qrandt-Hauses. hängen“, sagt Schulz. „Manches geht einem auch unter die Haut.“
Die SPD werde mit Nahles an der Spitze und in einer neuen Großen Koalition „zu alter Stärke zurückfinden“. „Wenn ich mit meinem Amtsverzicht dazu beigetragen habe, hat es sich gelohnt“, sagt Schulz. „Natürlich bekommt man Wunden mit, aber die Zeit wird sie heilen.“
Mit der von ihm geplanten Hauruck-Übergabe des Vorsitzes an Andrea Nahles ist es nichts geworden. Der Fraktionschefin blies massiver Gegenwind ins Gesicht. Mehrere Landesverbände stemmten sich dagegen, Nahles, die selbst weder ordentliches Präsidiumsnoch Vorstandsmitglied ist, von den Führungsgremien quasi über Nacht zur neuen Vorsitzenden küren zu lassen. Und mit Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange kam aus dem Nichts eine Gegenkandidatin aus der Deckung, brachte sich als Nahles-Alternative der Basis in Stellung.
Zwei Monate warten
Der Widerstand richtete sich nicht gegen Nahles als Person, sagte Sönke Rix, Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Parteirates in Schleswig-Holstein. Vielmehr gehe es um ein „geordnetes Verfahren“, damit nicht der Verdacht aufkomme, da werde etwas „ausgekungelt“. Wenn Schulz alleine entscheide, wer von ihm den Chefposten übernehme, sei das „kein Zeichen der Erneuerung“, kritisierte auch die Berliner SPD.
Jetzt muss Nahles noch zwei Monate warten, um als erste Frau die SPD-Führung zu übernehmen. Dass die bislang weitgehend unbekannte Simone Lange aus SchleswigHolstein bei einer Kampfkandidatur auf dem Parteitag eine ernsthafte Chance hätte, scheint kaum denkbar.
Aber Nahles Image als Hoffnungsträgerin für Erneuerung und Aufbruch hat Schaden genommen. Immer mehr Genossen werfen ihr vor, in alte Muster zurückzufallen: Gekungel bei Personalentscheidungen, Absprachen im Hinterzimmern, BastaPolitik an der Basis vorbei. Und das neuerliche Hickhack durchkreuzte einmal mehr die Pläne, die Personalquerelen endlich zu überwinden.
Jetzt soll es damit vorbei sein. Ärgert es sie nicht, dass sie nun erst im April gewählt werden soll? „Wenn das eine Lösung ist“, sagt Nahles, „wenn wir uns viele Debatten ersparen, ist das eine gute Lösung.“