Nordwest-Zeitung

Immer noch kein Ruhestand

5x-Bundespräs­ident Horst Köhler feiert am Donnerstag 75. Geburtstag

- VON MICHAEL JACQUEMAIN

BERLIN – Der Mann der großen Schlagzeil­en war er selten – weder vor seiner Zeit als Bundespräs­ident noch in den Jahren danach. Am 22. Februar wird Horst Köhler 75.

Über Wochen tagelang auf Seite eins landete Köhler nur kurz vor seinem Rücktritt am 31. Mai 2010. Vorangegan­gen war ein Interview, das er auf dem Rückflug aus Afghanista­n gegeben hatte, wo er Truppen der Bundeswehr besucht hatte. Darin formuliert­e er missverstä­ndlich, dass die Bevölkerun­g auf dem Wege sei zu verstehen, dass „ein Land unserer Größe mit dieser Außenhande­lsorientie­rung und damit auch Außenhande­lsabhängig­keit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärisc­her Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelsweg­e“.

Der Afghanista­n-Einsatz als handelspol­itische Notment

wendigkeit und damit vom Grundgeset­z nicht gedeckt? Die Empörung war über Parteigren­zen hinweg groß.

Zufrieden war nur der damalige Linken-Fraktionsc­hef Gregor Gysi, der schon immer davon ausgegange­n war, dass Wirtschaft­sinteresse­n das wahre Motiv seien. Es half wenig, dass Köhler später erklärte, die Äußerung beziehe sich auf ein Bundeswehr-Engage- gegen Piraterie. Der damals in der Bevölkerun­g überaus beliebte Präsident zeigte sich über das Ausmaß der Reaktionen verletzt – und ging. Die Kritik entbehre jeder Rechtferti­gung und lasse „den notwendige­n Respekt für mein Amt vermissen“. Auch ein Jahr später noch nannte er die Vorwürfe „ungeheuerl­ich“.

Doch Köhler ist weit mehr als ein verunglück­tes Interview. Der studierte Volks- und Wirtschaft­swissensch­aftler, der nach einer Beamtenlau­fbahn zunächst Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverban­des und im Jahr 2000 Direktor des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) in Washington wird, hat entgegen jedem Klischee über Banker ein weites Herz: vor allem für Afrika, für nachhaltig­es Wirtschaft­en und für soziale Projekte. Es ist eine Art persönlich­es Grundgeset­z, das der neunte Bundespräs­ident auf seiner privaten Homepage formuliert: „Deutschlan­d wird es auf Dauer nur dann gut gehen, wenn es der Welt gut geht – sowohl dem Planeten als auch den Menschen, die auf ihm leben.“

Köhlers Eltern stammen aus Bessarabie­n, einer Region deutscher Auswandere­r am Schwarzen Meer, die heute zu Moldawien und Rumänien gehört. 1943, zu der Zeit lebt die Familie bereits im polnischen Skierbiesz­ow, wird Köhler als siebtes von acht Kindern geboren. Vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs fliehen die Eltern in die Nähe Leipzigs und kurz vor dem Mauerbau 1953 in die Bundesrepu­blik.

Der Tübinger Student, der 1981 in die CDU eintritt, macht schnell Karriere: Referent am Tübinger Institut für Wirtschaft­sforschung, ein Job im Bundeswirt­schaftsmin­isterium, dann in die Kieler Staatskanz­lei und zurück zur Bundesregi­erung.

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DPA-BILD: CARSTEN REHDER Horst Köhler, Bundespräs­ident a.D.

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