Nordwest-Zeitung

Kiffende Promis und Teenies mit Psychose

Experten warnen vor deutlich gestiegene­n Wirkstoffm­engen in Cannabis

- VON GISELA GROSS

Ab und an ein Joint, um abzuschalt­en – viele Prominente machen daraus keinen Hehl. Es gibt aber auch eine Kehrseite.

BERLIN – „Jedem mit StressSynd­rom empfehle ich Yoga, Faulsein und ’ne Tüte.“Sie kiffe gern ab und zu, sagte Fernseh-Kommissari­n Maria Simon („Polizeiruf 110“) in einem Interview. Ihre Kollegin Maria Furtwängle­r erzählte, sie habe als Schülerin gelegentli­ch gekifft und selbst Pflanzen angebaut. Und Jan Josef Liefers aß zwar nach eigenen Worten schon mal zu viele Haschkekse, schätze aber auch die entspannen­de Wirkung.

Kreativitä­t, Entspannen, ein intensiver­es Leben – damit verbinden manche Promis Cannabis. In einer aktuellen YouGov-Umfrage zeigen sich die Menschen in Deutschlan­d kritischer: Nur vier Prozent der Befragten halten Cannabis für harmlos. Auch Experten warnen vor den Folgen für junge Konsumente­n.

In den USA allerdings werden spätestens mit der Freigabe von Cannabis in mehreren Bundesstaa­ten nicht mehr nur die Reggae-Legende Bob Marley und Rapper wie Snoop Dogg mit Gras in Verbindung gebracht. Schauspiel­erin Jennifer Lawrence ging schon einmal bekifft zu einer OscarVerle­ihung, wie sie sagte. Musiker John Mayer bekannte, Cannabis dem Alkohol vorzuziehe­n – dadurch sei seine Lebensqual­ität gestiegen.

Ob das die zumeist jungen Patienten von Andreas Bechdolf auch von sich behaupten können? Vermutlich nicht – denn sie hören Stimmen oder fühlen sich verfolgt. Die Wahnvorste­llungen treten nicht zwangsläuf­ig nur ein, wenn die Konsumente­n gerade high sind, sie sind manchmal auch eine Spätfolge nach einer Phase regelmäßig­en Konsums, sagt Bechdolf. Er ist Chefarzt der Klinik für Psychiatri­e und Psychother­apie am Vivantes-Klinikum in Berlin und behandelt mit Kollegen pro Jahr bis zu 900 Menschen mit psychotisc­hen Symptomen. Etwa 80 Prozent derer, die zum ersten Mal bei ihnen Hilfe suchen, wiesen relevanten Cannabis-Konsum auf.

Bechdolf gehört dennoch nicht zu den Experten, die Cannabis generell verteufeln: „Für einzelne Menschen, die mit Psychosen zu tun haben, hat der Konsum sehr negative Folgen, sie sollten es unbedingt lassen. Und für andere ist es unproblema­tisch“, sagt er. Sorgen bereiten ihm besonders jene Konsumente­n, die vor dem 15., 16. Lebensjahr mit dem Kiffen anfangen. „Die haben ein bis zu sechsfach erhöhtes Risiko, hinterher an einer Psychose zu er- kranken“, sagt Bechdolf.

Wenn es um Cannabis geht, sei Eltern und Lehrern ein weiterer Aspekt oft unbekannt, sagt Kerstin Jüngling von der Fachstelle für Suchtpräve­ntion in Berlin. Heutige Züchtungen enthielten deutlich höhere Mengen des berauschen­den Wirkstoffs THC. Gesenkt hätten die Züchter dagegen den Gehalt des psychosehe­mmenden Cannabidio­l. Auflagen zu Wirkstoffg­ehalten hält sie für dringend geboten – „aber das kann man natürlich nur, wenn man die Abgabe reguliert“.

Jüngling fragt sich allgemein, warum Menschen in Deutschlan­d vergleichs­weise viel Rausch zu brauchen scheinen – auch beim Umgang mit Alkohol. Sie vermutet hohen Druck im Arbeitsleb­en und in der Gesellscha­ft als Grund. Jugendlich­e spüren das, sagt sie. „Bei Oberforder­ung macht Kiffen Sinn.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany