Bilder eines Grenzgängers
Paula-Modersohn-Becker-Museum erinnert an Josef Scharl
Der Münchner Maler wurde 1935 mit einem Ausstellungsverbot belegt. Er emigrierte 1938 in die USA, sein Werk geriet in Vergessenheit.
BREMEN – Mit einer umfassenden Werkschau will das Paula-Modersohn-Becker-Museum in Bremen dem weithin in Vergessenheit geratenen Münchner Expressionisten Josef Scharl (1896–1954) eine Bühne bereiten. Das Haus zeigt fast 50 Gemälde aus allen Schaffensphasen, in denen er sich meist dem „kleinen Mann“zugewandt hat. „Wie Paula Modersohn-Becker denkt er vom Menschen her und zeigt das in großen Bildern“, sagte Museumsdirektor und Kurator Frank Schmidt.
Unter dem Titel „Josef Scharl. Zwischen den Zeiten“ist die Ausstellung in Bremen bis zum 3. Juni zu sehen und wird danach im Hamburger Ernst-Barlach-Haus gezeigt. Scharl zählt Schmidt zufolge zu den bedeutenden Künstlern der 1920er und frühen 1930er Jahre in Deutschland. Als Grenzgänger zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit habe er ein Werk geschaffen, das die politischen und sozialen Verwerfungen der Moderne eindringlich widerspiegele.
Traumatisiert von den Erlebnissen des Ersten Weltkrieges habe Scharl der zerrissenen Gesellschaft der „Goldenen Zwanziger“ein Gesicht gegeben. Damit traf er nach Angaben von Schmidt den Nerv der damaligen Zeit. Dem wachsenden Militarismus begegnete er mit Abscheu. „Seine Bilder von Zerstörung, Trauer und Armut weisen nahezu prophetisch auf den Zweiten Weltkrieg hin“, sagte Schmidt. Den Menschen zugewandt: Pariser Straßenszene von 1932
Scharl begann 1910 als 14Jähriger an der Münchner Malerschule eine Ausbildung zum Dekorationsmaler. Zudem besuchte er Abendkurse in Aktmalerei. Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er schwer verwundet wurde, begann er ein Studium an der Kunstakademie in München, das er aber abbrach.
Er schloss sich der neuen Münchner Sezession und der
Künstlervereinigung der Juryfreien an und beteiligte sich erfolgreich an deren Ausstellungen, unter anderem mit Otto Dix und Emil Nolde. 1930 erhielt er den Rom-Preis, der es ihm ermöglichte, Studienreisen nach Rom und Paris zu unternehmen.
1935 wurde er mit einem Ausstellungsverbot belegt, die Nationalsozialisten sahen in seiner Arbeit entartete Kunst. 1938 schließlich emigrierte er ohne Frau und Kind in die USA. Er traf dort eine Reihe von Freunden wieder, die bereits früher emigriert waren und mit denen er Museen besuchte oder Reisen innerhalb des Landes unternahm. Eindrücke davon flossen in seine Kunst ein, die er jedoch nur schleppend verkaufen konnte. Josef Scharl starb 1954 in New York nahezu mittellos.