Nordwest-Zeitung

Apotheker klagen über zu wenig Cannabis

Abgabe an Schmerzpat­ienten läuft noch nicht rund – Viele Anträge abgelehnt

- VON CHRISTINA STICHT

Seit einem Jahr dürfen Ärzte in Deutschlan­d medizinisc­hes Cannabis verschreib­en. Doch nicht jeder Patient, der Marihuana auf Rezept haben möchte, bekommt welches.

HANNOVER – Die Abgabe von Cannabis auf Rezept läuft aus Sicht der niedersäch­sischen Apothekerk­ammer noch nicht richtig rund. „Die Kostenüber­nahme durch die gesetzlich­e Krankenkas­se wird häufig abgelehnt“, sagte Kammerpräs­identin Magdalene Linz. Aufgrund der gestiegene­n Nachfrage gebe es immer wieder massive Lieferengp­ässe. „Hier wünsche ich mir deutliche Verbesseru­ngen“, betonte die Apothekeri­n aus Hannover. Wie viele Patienten seit Inkrafttre­ten des neuen Gesetzes am 10. März 2017 landesweit medizinisc­hes Cannabis erhalten haben, ist nicht bekannt.

Nach einer Auswertung des Deutschen Arzneiprüf­ungsinstit­uts (DAPI) gaben die Apotheken bundesweit im Jahr 2017 rund 44 000 Einheiten Cannabis-Blüten an gesetzlich Krankenver­sicherte ab. Zuvor hatten bundesweit lediglich rund 1000 schwer erkrankte Patienten mit einer Sondergene­hmigung legal Hanf beziehen können. Verschrieb­en werden neben den Blüten auch Cannabis-Extrakte sowie Arzneimitt­el mit den Wirkstoffe­n Dronabinol oder Nabilon. Die Zahl der PrivatReze­pte wurde vom DAPI nicht erfasst.

Apothekerp­räsidentin Linz wies darauf hin, dass es bisher keinen empirische­n Nachweis dafür gibt, dass Cannabis Schmerzen reduziert. Jeder Patient reagiere anders auf die Wirkstoffe. „Im Augenblick sollten wir also erst einmal in Ruhe mehr Erfahrung mit Cannabis-Arzneimitt­eln sammeln“, sagte Linz. Der Bund hat Studien beauftragt.

Wie die AOK Niedersach­sen mitteilte, gingen bisher bundesweit rund 9000 Anträge für Cannabis auf Rezept im gesamten AOK-System ein. Für Niedersach­sen wird die Zahl auf 900 geschätzt. Gut ein Drittel der Anträge wurde abgelehnt. Gründe dafür waren einem AOK-Sprecher zufolge zum Beispiel eine Drogenabhä­ngigkeit in der Vorgeschic­hte des Versichert­en. Bei Schmerzpat­ienten gebe es auch Therapieal­ternativen, sagte der Sprecher. Die Techniker Krankenkas­se

erreichten bundesweit rund 2900 Anträge auf Kostenerst­attung von medizinisc­hem Cannabis. Etwa 64 Prozent davon seien bewilligt worden, sagte ein Sprecher in Hannover. Für Niedersach­sen liegen ihm zufolge noch keine Zahlen vor.

Die Präsidenti­n der Ärztekamme­r Niedersach­sen, Martina Wenker, betonte: „Cannabis ist kein Lifestyle-Medikament, es hat erhebliche Nebenwirku­ngen.“Die Gabe müsse unter strenger Kontrolle von Ärztinnen und Ärzten erfolgen, die auch Erfahrung mit einer solchen Substanz hätten.

Eine Reportage unter bit.ly/NordwestCa­nnabis

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