Nordwest-Zeitung

„Der Vorfall hat mein Leben verändert“

0VB-Profis berichten von Ängsten – Ex-Trainer Tuchel macht Anschlag für Aus verantwort­lich

- VON MARTIN BRAUNSCHWE­IG UND DOMINIK KORTUS

Bei den Aussagen wurden die gravierend­en Folgen des Anschlags deutlich. Dass tags drauf gespielt wurde, ist für alle unverständ­lich.

DORTMUND – Thomas Tuchel strich sich den braunen Cordanzug glatt, setzte vor dem Sitzungssa­al 130 seine graue Schiebermü­tze auf und verließ das Landgerich­t Dortmund kommentarl­os. Mit emotionale­n Worten hatte der ehemalige Dortmunder Trainer zuvor im Prozess gegen den BVB-Attentäter Sergej W. seine Aussage gemacht – und dabei auch die teilweise gravierend­en Folgen des Anschlags auf die Mannschaft des Fußball-Bundesligi­sten geschilder­t. Sowohl für ihn selbst als auch für die Profis. Denn die Spieler, so viel wurde am Montag deutlich, haben noch immer mit den Nachwirkun­gen der dramatisch­en Ereignisse vom 11. April 2017 zu kämpfen.

Tuchel (44) macht den Bombenansc­hlag auf die Mannschaft mitverantw­ortlich für seinen Weggang vom Revierclub im Sommer 2017. Er sagte am Montag als Zeuge aus, es habe nach dem Attentat große Uneinigkei­t zwischen ihm und Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke geherrscht. „Der größte Dissens war wahrschein­lich, dass ich im Bus saß und er nicht.“Daraus habe sich ein komplett unterschie­dlicher Umgang mit dem Vorfall ergeben. Auf die Frage, ob er glaube, ohne Mit Schiebermü­tze vor Gericht: der frühere Dortmunder Trainer Thomas Tuchel War nachdenkli­ch: Bender Sven

den Anschlag heute noch Trainer des BVB zu sein, antwortete Tuchel: „Ja, davon würde ich ausgehen.“

Vor dem Ex-Trainer hatten auch mehrere BVB-Spieler in ihren Zeugenauss­agen den Umgang mit dem Schockerle­bnis kritisiert. Vor allem die Tatsache, dass das Champions-League-Spiel gegen AS Monaco bereits am nächsten Abend nachgeholt wurde, bewerten einige Beteiligte heute als falsch.

„Ich glaube, wir haben alle einen großen Fehler gemacht“, sagte der inzwischen nach Leverkusen gewechselt­e Sven Bender. Die Mannschaft hätte schließlic­h das Recht gehabt, nicht anzutreten. Er berichtete davon, dass der Anschlag und der Umgang damit sogar Gründe für seinen Der BVB-Teambus nach dem Anschlag.

Wechsel zu Bayer waren.

Auch BVB-Mannschaft­skapitän Marcel Schmelzer erinnert sich nur ungern an das Nachholspi­el. „In dieser Nacht hatte keiner geschlafen. Keiner hat auch nur einen Gedanken an dieses Spiel verschwend­et“, sagte der Zeuge.

BVB-Torwart Roman Weidenfell­er räumte sogar offen ein, bis heute psychologi­sche Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Der Vorfall hat mein Leben verändert“, sagte Weidenfell­er. Und: „Die Aufarbeitu­ng ist noch nicht abgeschlos­sen.“ In Behandlung: Roman Weidenfell­er

Auch Weidenfell­er hält es für einen Fehler, dass der BVB damals sofort wieder auf den Platz musste, um in der Champions League zu spielen: „Aus meiner Sicht ist es immer noch unverständ­lich, dass man uns nicht einmal einen Moment der Ruhe gegönnt hat. Wir sind Menschen und keine Maschinen.“

Fast alle am Montag vom Gericht gehörten Zeugen gaben an, nach dem Anschlag unter Schlafstör­ungen und Angstzustä­nden gelitten zu haben. „Ich glaube, dass mein Körper erst langsam wieder zur Ruhe findet“, sagte Weidenfell­er. Und Schmelzer räumte ein: „Wenn heute irgendwo in einem Raum ein Teller runterfäll­t, zucke ich zusammen und der Puls geht hoch.“Der Kapitän sagte, er versuche, „das so gut wie möglich wegzudrück­en“.

Der Angeklagte Sergej W. sagte während des gesamten Verhandlun­gstages nicht ein einziges Wort. Er verzichtet­e auch darauf, sich bei den Betroffene­n zu entschuldi­gen.

Der 28-Jährige hat bereits zugegeben, den Bombenansc­hlag bei der Abfahrt des BVB am Mannschaft­shotel verübt zu haben, um mit einer Wette auf einen fallenden Kurs der BVB-Aktie reich zu werden. Er beharrt jedoch darauf, die Sprengsätz­e bewusst so gebaut zu haben, dass „niemand getötet oder ernsthaft verletzt“werde. Tatsächlic­h erlitt im Inneren des Mannschaft­sbusses der damalige BVB-Verteidige­r Marc Bartra einen offenen Bruch des Unterarms. Ein Motorradpo­lizist wurde mit einem Knalltraum­a ins Krankenhau­s eingeliefe­rt.

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DPA-BILD: THISSEN
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DPA-BILD: KUSCH
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DPA-BILD: THISSEN

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