AfD: Guth triumphiert über Hampel
Fraktionschefin setzt sich gegen umstrittenen Vorsitzenden durch – Desaströse Finanzen
Das Treffen wird phasenweise zum Scherbengericht. Viele Mitglieder sind entsetzt.
BRAUNSCHWEIG Davongejagt: Auch wenn der hoch umstrittene Ex-Landeschef der AfD Niedersachsen, Armin-Paul Hampel (60), am Ende von einer „Schmierenkomödie“spricht, auf dem zweitägigen Landesparteitag am Wochenende in Braunschweig triumphiert seine Rivalin Dana Guth (47). Von 521 abgegebenen Stimmen erhält die Fraktionschefin im Landtag im zweiten Wahlgang 280 Stimmen, auf Hampel entfallen 205. Schlusspunkt eines erbitterten Machtkampfs.
Der Parteitag läuft unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen ab. Eiserner Empfang schon am Bahnhof. Bis zur Stadthalle sichern Absperrgitter den Weg. Rund 400 Gegendemonstranten protestieren direkt nebenan in einem Polizeikessel. Am Eingang geben Guth und Hampel letzte Interviews vor dem Show-down – das mit Spannung erwartete Duell zwischen dem von der Bundespartei abgesetzten Parteichef und seiner Herausforderin. „Das letzte Aufgebot“, attestieren Guth-Freunde dem Hampel-Lager, das sich mit Händen und Füßen gegen den Machtverlust stemmt. Lächelnde Gesichter bei den Guth-Unterstützern.
Der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen ruft den chaotischsten AfD-Landesverband zur Geschlossenheit auf. Meuthen verhehlt nicht seinen Ärger über die Niedersachsen, attestiert ihnen „Zerstrittenheit und Lähmung“. Die Enthebung des gesamten Vorstands mit Hampel sei richtig und notwendig gewesen. Aber jetzt müsse die Zeit der Streitereien vorbei sein. Phasenweise jubelt die AfDBasis dem Bundesvorsitzenden zu – immer dann, wenn Meuthen mit aller Schärfe das „versiffte Parteienkartell“attackiert oder SPD und Grüne wörtlich als „krypto-kommunistische Vaterlandszersetzer“bezeichnet. Frenetischer Beifall. Journalisten attestiert Meuthen „intellektuelle VerDer
ständnisschwierigkeiten“. Die AfD dagegen gebe „dem Volk“eine Stimme und nutze den Bundestag als „Kampfarena, in der wir die Merkels, Kippings und andere jagen“. Begeistert erhebt sich die Basis.
Danach folgt abrupte Ernüchterung. Der Bundesprüfer der AfD, Christian Waldheim, legt seine Kontrolle der Finanzen in den Jahren 2013 bis 2017 vor. Ein Desaster. Für Hampel. Seitenlang führt der Kontrolleur die schlampige Buchführung vor. Dazu gehören „Abschläge an Hampel ohne Abrechnung und ohne Vorstandsbeschluss“in Höhe von Tausenden von Euro. „Oft fehlten Rechnungen und Be- lege“, so der Prüfer, auch bei Bewirtungskosten – teils in Fünf-Sterne-Restaurants. Fazit: Unterm Strich liefen unter Hampel Ausgaben „ohne Rechnungen und Belege“in Höhe von 27333 Euro auf. „Ich hätte für die Jahre 2013 bis 2017 dem Vorstand keine Entlastung erteilt“, bilanziert der Prüfer.
Viele Mitglieder reagieren entsetzt und „schockiert, wie kriminell Gelder verschwendet wurden“. Manche verlangen, die Ex-Vorstände „in Regress zu nehmen“. Zorn macht sich breit.
Hampel („Bei meiner Ehre“) verteidigt alle Abrechnungen als korrekt. „Ich habe alles ordnungsgemäß abgerechnet“, zeigt sich Hampel empört über die gerade gehörten Vorwürfe. Prüfer und Prüfung der Finanzen sei nichts anderes als ein „perfides Spiel“, um ihn abzuservieren. Hampel in einem dramatischen Schlussappell: „Ich nehme alle Anfeindungen gelassen. Meine Gegner werden mich nicht auf die Knie zwingen“. Mit militärischen Gruß zelebriert Hampel seinen Abgang. Am Revers blinkt das Abzeichen eines deutschen U-Boots – fast symbolisch für den Untergang des Mannes, der sich selbst „Kapitänleutnant der Reserve“nennt. „Zu Unrecht“, sagen Kenner.
AfD-Parteitag mutiert, je länger er dauert, immer mehr zum Scherbengericht über den Ex-Vorsitzenden und ehemaligen ARD-Korrespondenten. Konkurrentin Guth muss gar nichts mehr sagen. Mache möchten den Ex-Vorsitzenden aus dem national-konservativen Lager fast schon mit Schimpf und Schande vom Parteitagshof jagen. „Wenn ich so viel Geld unterschlagen hätte, hätte ich mich nicht in diesen Saal getraut“, sagt eine ältere Frau. Der Saal lacht. Häme macht sich breit für Hampel, der von Minute zu Minute an Unterstützern verliert. Um 14.15 Uhr beginnt der Schlussakt: die Neuwahl des bzw. der Landesvorsitzenden.
Ein quälender Prozess, der sich über drei Stunden hinzieht und in dem die weiteren Bewerber – der Bundestagsabgeordnete Dietmar Friedhoff, das Ex-FDP-Mitglied Peter Presche („Geben Sie mir nicht ihre Stimme, sondern Guth“) sowie der Müllmann Stefan Broughman – nur Zählkandidaten sind.
In den Jubel der Schlussabstimmung vergisst Guth nicht, an die Geschlossenheit der AfD zu appellieren. Ob’s wirkt? Mindestens Hampels Finanzgebaren dürfte noch Juristen beschäftigen.