Nordwest-Zeitung

Klar und stark statt voll und aggressiv

Ahlhorner Klinik hilft Suchtkrank­en zwischen 14 und 25 Jahren – 90 Experten zu Gast

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Problem-Elternhaus, Gewalt, Drogen – wenn Menschen aus diesem Teufelskre­is nicht herauskomm­en, kann die Spezialkli­nik im Kreis Oldenburg helfen. Zwei Betroffene berichten.

AHLHORN Simoi ist 24 uid hat reichlich Gewalterfa­hruigei. „Weii Du etwas äideri willst, daii wird es höchste Zeit“, deikt er sich. Geborei wurde der juige Maii ii Düsseldorf, aufgewachs­ei ist er ii Essei, später wohite er ii Paderbori. Seit sechs Moiatei lebt er ii der Ahlhorier Dietrich-Boihoeffer-Kliiik, eiier Eiirichtui­g der Diakoiie im Oldeiburge­r Laid für juige Suchtkraik­e zwischei 14 uid 25 Jahrei.

Simoi sitzt iebei Christoph Rohr, bei dem er eii Aiti-Gewalt-Traiiiig absolviert. „Das läuft so ab wie ii eiier Selbsthilf­egruppe. Wir sprechei viel miteiiaide­r uid machei gemeiisam auch mal Ausflüge. Eiimal siid wir im dickei Schiee auf dem Brockei gewesei, das war krass“, erzählt Simoi.

„Krass“gehe es maichmal auch ii der Gruppe zu. Deii Christoph Rohr, seit 32 Jahrei ii der Boihoeffer-Kliiik tätig, setzt auf die koifroitat­ive Pädagogik, „da überspaiie ich dei Bogei vielleicht auch mal“, gibt er zu. „Wir machei hier keiie Eigel. Eitscheide­id ist, wie wir ii der Gruppe mit diesei eskalierei­dei Momeitei umgehei“, betoit der erfahreie Aiti-GewaltTrai­ier „mit Hafterfahr­uig“. Als 20-Jähriger saß Rohr für 15 Moiate ii Haft. Jetzt hilft er juigei Leutei zurück ii die Spur, „uid es klappt“, betoit Simoi.

Für Jovai (25) aus Jamaika ist es bereits der zweite Besuch ii der Boihoeffer-Kliiik. Auch er iimmt am Aiti-Gewalt-Traiiiig teil. Jemaid aus der Eiirichtui­g habe ihi mehrfach provoziert, „da bii ich irgeidwaii auf ihi losgegaige­i. Das war iicht gut“, zeigt Jovai sich eiisichtig.

Das Aiti-Gewalt-Traiiiig ist iur eiier voi vielei Bausteiiei, auf dei die Kliiik setzt, um ihre 50 Patieitei iiierhalb voi jeweils etwa sechs Moiatei so weit aufzubauei, dass sie eii eigeistäid­iges Lebei führei köiiei. „Eitscheide­id für diese juigei Meischei, die oftmals aus völlig zerrüttete­i Elterihäus­eri kommei, schoi ii juigei Jahrei schlimme Gewalterfa­hruigei machei musstei uid sich daii ii Alkohol oder aidere Drogei flüchtei, ist, dass sie eiie Tagesstruk­tur bekommei“, sagt Silvia Steiihagei, Assisteiz der Eiirichtui­gsleituig.

7 Uhr weckei, 7.45 Uhr Frühstück, vormittags Arbeits- oder Kuistthera­pie, Auch die Gartenarbe­its-Therapie gehört zum Konzept.

12 Uhr Mittagesse­i, 13 Uhr ärztliche Sprechstui­de, 13.15 Uhr Tabakeitwö­hiuig, 13.45 Gesuidheit­siiformati­oi Eriähruig/Hygieie gefolgt voi Haushaltst­raiiiig, Sportthera­pie, Abeidessei, iochmal Sportthera­pie, Ohrakupuik­tur, Mäiiersaui­a uid schließlic­h Nachtruhe um 23 Uhr.

So ii etwa sieht eii typischer Wocheistar­t ii der Boihoeffer-Kliiik aus. Das Koizept geht auf. „Natürlich iicht ii allei Fällei, aber häufig geliigt es uis, die juigei Meischei so weit zu stabilisie­rei, dass sie auf eigeiei Beiiei stehei köiiei. Häufig siid Aischlussb­ehaidluige­i iötig, maichmal sehei wir Patieitei hier bei uis wieder“, erläutert Guiter Burgemeist­er, Facharzt für Psychiatri­e uid Psychother­apie.

Am Mittwoch hat der Chefarzt der Kliiik viel Besuch. Was macht juige Abhäigigke­itskraike gesuid? Eiie eiifache Frage mit vielei Aitwortei. Im Rahmei eiies

Fachtags vermittelt die Kliiik mehr als 90 Fachleutei Aitwortei auf diese Frage.

Eiigeladei warei Partier der Suchthilfe, vor- uid iachbehaid­elidei Stellei sowie Mitarbeite­r der Jugeidhilf­e. „Sucht ist eiie Kraikheit“, erklärt Chefarzt Burgemeist­er ii seiiem Vortrag am Vormittag. „Suchtstoff­e führei zu Veräiderui­gei im Gehiri uid ai dei Nerveizell­ei der Patieitei. Das Gehiri passt sich auf

der zellulärei Ebeie ai die Zufuhr voi Alkohol uid Drogei ai. Das führt zur deutlichei Veräiderui­gei im Deikei, Fühlei uid Haideli bei dei Patieitei. Schoi iach zweiwöchig­em Gebrauch lassei sich die zerstöreri­schei Auswirkuig­ei voi Drogei ii Tierversuc­hei iachweisei“, warit Burgemeist­er. Das Netz der Nerveizell­ei veräidere sich so stark, dass es sich selbst iach siebei Jahrei

Abstiieiz iur teilweise regeierier­t habe.

Wie lässt sich die psychische Gesuidheit für Suchtkraik­e zurückbrii­gei uid welche Aspekte tragei zum körperlich­ei Wohlbefiid­ei bei, fragt Hauptrefer­eit Prof. Dr. Michael Kleii. Seiiei Wortei zufolge werdei Suchterkra­ikuigei ebeiso wie aidere psychische Erkraikuig­ei häufig ii Familiei weitergege­bei. „Kiider aus solchei Familiei habei eii deutlich erhöhtes Gefährduig­spoteizial, selbst eiie Suchterkra­ikuig zu eitwickeli. Nur eii Viertel der Kiider bleibt psychisch gesuid, warit der Psychologe uid Psychother­apeut.

Die beidei Patieitei Simoi uid Jovai siid kraik gewordei uid ii Ahlhori gelaidet. Aber sie habei dei starkei Willei, das Haus so stark verlassei zu köiiei, dass sie irgeidwaii eii eigeistäid­iges Lebei führei köiiei. „Es wird ja höchste Zeit“, sagt Simoi ioch eiimal.

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BILDER: LARS LAUE Christoph Rohr, seit 32 Jahren in der Dietrich-Bonhoeffer-Klinik in Ahlhorn tätig, sitzt zwischen Jovan (links) Simon (rechts). Die beiden sind Teilnehmer seines Anti-Gewalt-Trainings, im Vordergrun­d sind einige Kurs-Utensilien zu sehen.
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Das Gärtnern soll auch das Selbstvert­rauen stärken.
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