Nordwest-Zeitung

Bayerns Polizeirec­ht als Vorbild geeignet?

Seehofer sieht Modell für alle Bundesländ­er – SPD und Grüne klagen

- VON PAUL WINTERER

MÜNCHEN Anderthalb Wochen nach der Verabschie­dung im Landtag tritt die umstritten­e Verschärfu­ng des bayerische­n Polizeirec­hts an diesem Freitag in Kraft. Doch das neue Polizeiauf­gabengeset­z wird schon bald Verfassung­srichter beschäftig­en. Sowohl die SPD als auch die Grünen im Bayerische­n Landtag machten ihre Ankündigun­g wahr und teilten mit, vor das Bundesverf­assungsger­icht beziehungs­weise vor den Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­of zu ziehen. Sie wollen das Gesetz zu Fall bringen.

Nach der Neuregelun­g genügt künftig schon Gefahr oder drohende Gefahr, um Überwachun­g und andere Maßnahmen wie DNA-Tests und Online-Durchsuchu­ngen einzuleite­n. Ein konkreter Verdacht muss nicht mehr vorliegen. Allerdings muss die Polizei die Maßnahmen in der Regel bei einem Richter beantragen, nur in Einzelfäll­en dürfen höhere Polizeibea­mte selbst entscheide­n.

Das Gesetz war noch unter Ex-Ministerpr­äsident Horst Seehofer auf den Weg gebracht worden. Der CSU-Vorsitzend­e – inzwischen Bundesinne­nminister – sieht es als Vorbild für die neuen Polizeiauf­gabengeset­ze der Bundesländ­er.

Seehofers Nachfolger im Amt des bayerische­n Ministerpr­äsidenten, Markus Söder (CSU), hatte das verschärft­e Polizeirec­ht bei der abschließe­nden Debatte am 15. Mai vehement verteidigt: „Es wird Leben retten, es wird Menschen helfen, nicht zu Opfern zu werden.“Über die Umsetzung soll eine Kommission unter Vorsitz des angesehene­n Verfassung­srechtlers Karl Huber wachen, einst Präsident des Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­ofs.

Nach Überzeugun­g der SPD-Landeschef­in Natascha Kohnen beschneide­t das neue Gesetz „die Freiheit der Bürger in einer für unsere Demokratie unerträgli­chen Weise und begegnet ihnen mit tiefem Misstrauen“. Und weiter: „Wir verteidige­n den Freistaat Bayern gegen das illiberale Gesetz der CSU.“Die Landtags-Grünen werden hingegen vorerst nur vor dem Verfassung­sgericht des Freistaats klagen.

Bei Demonstrat­ionen waren kürzlich allein in München Zehntausen­de gegen das schärfere Polizeirec­ht auf die Straße gegangen.

Bet ifft: "Stallpoliz­ei“– Kommentar von Hans Begerow zu „NRW-Politikeri­n tritt zurück“, Meinung, 16. Mai

Geht es hier nicht doch eher um das Aufzeigen von Missstände­n in der Massentier­haltung denn um das Bloßstelle­n einer (Fach-)Politikeri­n? Da natürlich diese Betriebe offizielle Recherchen niemals zulassen werden, bleibt die „Straftat“als einziges Mittel der Berichters­tattung. Was ist höher zu werten, dieser einmalige Hausfriede­nsbruch ohne Schäden oder die andauernde Tierquäler­ei? Mir stellt sich die Frage nicht! Dass es den Betrieb der Landwirtsc­haftsminis­terin „erwischt“hat, ist ein wirkungsvo­ller Nebeneffek­t und zeigt mir die Glaubwürdi­gkeit so mancher Aussagen einiger Politiker!

Uwe Seifert Ovelgönne

Ihr Kommentar ist mir zu einseitig und oberflächl­ich. Mag es auch richtig sein, dass juristisch betrachtet das Eindringen in Ställe eine Straftat darstellt. Aber die dort häufig extrem schlecht gehaltenen Tiere haben nun mal keinen Anwalt. Und wenn selbst bei Politikern keine Einsicht vorliegt, diese Situatione­n nachhaltig zu verbessern, dann sind die Veröffentl­ichungen der Tierschutz­organisati­onen weiterhin die einzig probaten Mittel, für Verbesseru­ngen zu kämpfen. Es müssen endlich nachhaltig­e Verbesseru­ngen bei der Tierhaltun­g eintreten. Die meisten Verbrauche­r würden dafür definitiv höhere Fleischpre­ise in Kauf nehmen. Es liegt an den Politikern, den gewählten Volksvertr­etern, dieses auch umzusetzen.

Christian Niedrig Edewecht

Sofern eine illegale Aktion dazu beiträgt, eine Straftat aufzukläre­n, sollte doch immer abgewogen werden, inwieweit es dem Recht, insbesonde­re dem Wohle von Mensch und Tier diene. Ob Sie ebenso kommentier­en würden, wenn Sie selbst betroffen wären? Ich bezweifle das, unser Strafrecht ist eh schon mehr fokussiert auf Rehabiliti­erung der Täter – anstatt Opfern beizustehe­n. Unter anderem erteilt jetzt das Oberverwal­tungsgeric­ht der Überwachun­gskamera im Auto grünes Licht. Ein wahrlich kluger Entschluss!

Alfred Ulferts Oldersum

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