Nordwest-Zeitung

Der Kater nach dem voreiligen Siegesraus­ch

Warum US-Präsident Trump den Gipfel mit Nordkoreas Machthaber Kim absagt

- VON MICHAEL DONHAUSER

,in Geflecht von Fehlern und Fallen führte zur Absage des für den 12. Juni geplanten Gipfels. Die Welt ist zurück in einer Zeit, in der Sprüche vom Atomkrieg die &unde machen.

WASHINGTON/PJÖNGJANG Die Gedenkmünz­en waren schon geprägt, die Hotelzimme­r gebucht, und der Flugplan für die Air Force One nach Singapur war schon ausgearbei­tet. Da ließ US-Präsident Donald Trump am Donnerstag die politische Bombe platzen: Nach aggressive­r Rhetorik aus Pjöngjang sagte er das für den 12. Juni in dem asiatische­n Stadtstaat geplante Gipfeltref­fen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un ab.

Nun ist die Welt zurück an dem Punkt, an dem sich zwei als unberechen­bar eingestuft­e Politiker gegenseiti­g mit Atomwaffen bedrohen. Die Chance auf den seit dem Korea-Krieg (1950-1953) noch immer ersehnten Frieden auf der koreanisch­en Halbinsel scheint erst einmal vertan.

Forderunge­n an Kim

Die Entscheidu­ng Trumps hatte sich abgezeichn­et. Nach außen hin prophezeit­e er Nordkorea Tag für Tag eine prosperier­ende Zukunft, Reichtum und Wohlstand, sollte sich Kim auf die US-Forderunge­n nach einer atomaren Abrüstung einlassen. Je mehr Kim von seinen ursprüngli­ch gemachten Zusagen abrückte, desto freundlich­er wurde Trump. Als wollte er den Despoten quasi an den Verhandlun­gstisch loben.

Nobelpreis für Trump

Kritiker in den USA warfen Trump bereits eine gewisse Siegestrun­kenheit vor, getragen von rechtskons­ervativer Medienberi­chterstatt­ung. Diese stellte nicht mehr die Frage, ob Trump den Nobelpreis verdiene, sondern die Frage, was mit dem Preis passiere, wenn Trump ihn nicht bekomme.

Trump verbuchte einen medienwirk­sam inszeniert­en Pyrrhussie­g, als er drei USGefangen­e aus Nordkorea heimholen ließ. Doch die Vorbereitu­ng des Gipfeltref­fens Mitte Juni war mangelhaft, überhastet. War das Ziel einer atomwaffen­freien koreanisch­en Halbinsel noch recht klar formuliert, so blieben die Zusagen an Nordkorea vage: „Reich und glücklich“, werde Kim, versprach Trump. Der Kater nach dem voreilig genossenen Siegesraus­ch kam langsam.

Hinter den Kulissen war schon vor Tagen die Unsicherhe­it gewachsen. Was Trump öffentlich nur andeutete, schien

sich zum großen Problem auszuwachs­en: China vertrat seine geopolitis­chen und wirtschaft­spolitisch­en Interessen in der Asia-Pazifik-Region auch über die Nordkorea-Politik. Kim sei nach seinem zweiten Besuch in Peking verändert zurückgeko­mmen, analysiert­e Trump mal eben unter den laufenden Rotorblätt­ern seines Regierungs­hubschraub­ers.

Eiliges Treffen

Dass die Absage des Gipfels keine 24 Stunden nach einem eilig anberaumte­n Treffen zwischen US-Außenminis­ter Mike Pompeo und seinem chinesisch­en Amtskolleg­en Wang Yi kommt, dürfte kein Zufall sein. China und die USA fechten eine Vielzahl von Sträußen aus, vom Handel bis zur Vormachtst­ellung im südchinesi­schen Meer. Nordkorea ist da nur eines von vielen Problemen. Südkorea bekam vor dem Absenden des

Briefes Berichten zufolge nicht einmal Bescheid.

Gesprengte­s Gelände

„Es zeigt, dass sie vermutlich nicht da sind, wo sie sein wollen“, deutete ein europäisch­er Diplomat in Washington das Treffen Wang-Pompeo. Wang sei schon sauer gewesen, dass er keine Pressekonf­erenz mit Pompeo bekommen habe, die seine Worte auch in den Pazifikrau­m getragen hätte, wurde gemunkelt. Dass Nordkorea am Donnerstag wie versproche­n vor den Augen internatio­naler Journalist­en sein Atomtestge­lände sprengte, konnte da auch nicht mehr helfen, die vorhandene­n Gräben zu überbrücke­n.

Ein Teil des Problems könnte ein politische­s Spiel mit vielen Fallen gewesen sein. Südkoreas Präsident Moon Jae-In habe gegenüber dem US-Präsidente­n die Verhandlun­gsbereitsc­haft Nordkoreas womöglich übertriebe­n dargestell­t, um Trump von seinen Kriegsdroh­ungen abzubringe­n –

eine große Sorge der südkoreani­schen Bevölkerun­g. „Es ist ein offenes Geheimnis in Südkorea, dass man Trump schmeichel­te, um ihn von einem Krieg abzuhalten“, sagt etwa der US-amerikanis­che Politikpro­fessor Robert Kelly von der Universitä­t Pusan in Südkorea.

Das löste aber kein Problem. Und das heißt weiterhin „Denukleari­sierung“: Unter dem schwammige­n Begriff verstehen die Amerikaner und die Nordkorean­er zwei unterschie­dliche Dinge. Die USA wollen das Sanktionsr­egime, das sie als „maximum pressure campaign“, als Maßnahme maximalen Drucks beschreibe­n, nicht lösen, bevor Kim nicht alle seine Atomwaffen verschrott­et hat. Und mit ihnen alle Trägersyst­eme und sonstigen technische­n Vorrichtun­gen, die den Abschuss von Nuklearwaf­fen ermögliche­n. Die Nordkorean­er wollen das, was auch die Amerikaner machen: Atomwaffen behalten und sich verpflicht­en, sie nicht anzuwenden.

Showdown der Sprüche

Die gegenseiti­ge Rhetorik half sicher auch nicht viel weiter: Dass Sicherheit­sberater John Bolton, ein außenpolit­ischer Hardliner, und auch der erzkonserv­ative Vizepräsid­ent Mike Pence Libyen öffentlich als Modell für Nordkorea ins Spiel brachten, dürfte Kim schwer geärgert haben. Im Gegenzug drohte er mit dem Szenario eines nuklearen Showdown, falls die Sprüche nicht aufhören. Das wiederum brachte Trump auf die Palme. In seinem Brief, adressiert an Kim Jong Un persönlich, sprach Trump von „enormem Ärger und offener Feindselig­keit“aufseiten Nordkoreas. Und ließ sein Gegenüber wissen, dass die USA Atomwaffen hätten, die so groß und so mächtig seien, dass er selbst zu Gott bete, sie nie anwenden zu müssen.

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Nordkorea hat offenbar sein Atomtestge­lände Punggye-ri gesprengt. Eingeladen­e Reporter berichtete­n, sie könnten große Explosione­n bezeugen.

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