Nordwest-Zeitung

Trotz Verdachts in Freiheit

Justiz muss immer öfter Tatverdäch­tige aus U-Haft entlassen

- VON CHRISTIANE JACKE

51 Haftbefehl­e gegen dringend Tatverdäch­tige wurden aufgehoben. Sie hatten die zulässige Höchstdaue­r in U-Haft verbracht.

BERLIN Es gibt eine wachsende Zahl von Fällen, in denen Verdächtig­e wegen zu langer Strafverfa­hren aus der Untersuchu­ngshaft entlassen werden müssen. Im vergangene­n Jahr hoben die Oberlandes­gerichte aus diesem Grund bundesweit in 51 Fällen Haftbefehl­e gegen dringend Tatverdäch­tige auf, wie aus Zahlen des Deutschen Richterbun­des hervorgeht. 2016 waren es demnach 41 Fälle gewesen.

Der Verband sieht als Ursache dafür den gewachsene­n Aufwand bei der Bearbeitun­g von Strafverfa­hren, aber auch den Mangel an Staatsanwä­lten und Richtern.

Die Justiz ist verpflicht­et, Verfahren gegen Untersuchu­ngs-Häftlinge möglichst schnell voranzutre­iben. Andernfall­s

kommen Betroffene nach einer gewissen Zeit aus der U-Haft frei, auch wenn die Vorwürfe gegen sie nicht ausgeräumt sind. Eine starre Obergrenze gibt es bei Verstößen gegen das sogenannte Beschleuni­gungsgebot nicht. Generell soll eine Untersuchu­ngshaft nicht länger als sechs Monate dauern. Wenn die besondere Schwierigk­eit oder der besondere Umfang der Ermittlung­en das rechtferti­gen, ist eine Verlängeru­ng aber möglich. In Untersuchu­ngshaft landen nur dringend Tatverdäch­tige.

Die Deutsche Richterzei­tung hatte bei den Justizmini­sterien aller Bundesländ­er die Zahl der Haftentlas­sungen wegen zu langer Strafverfa­hren abgefragt. Die meisten Fälle gab es 2017 demnach in Thüringen (9), gefolgt von Sachsen (8). Dahinter lagen Berlin und Baden-Württember­g (jeweils 6) und Bremen (5). Lediglich in Niedersach­sen und Mecklenbur­g-Vorpommern seien keine Tatverdäch­tigen wegen überlanger Verfahren aus U-Haft freigekomm­en.

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