Trotz Verdachts in Freiheit
Justiz muss immer öfter Tatverdächtige aus U-Haft entlassen
51 Haftbefehle gegen dringend Tatverdächtige wurden aufgehoben. Sie hatten die zulässige Höchstdauer in U-Haft verbracht.
BERLIN Es gibt eine wachsende Zahl von Fällen, in denen Verdächtige wegen zu langer Strafverfahren aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen. Im vergangenen Jahr hoben die Oberlandesgerichte aus diesem Grund bundesweit in 51 Fällen Haftbefehle gegen dringend Tatverdächtige auf, wie aus Zahlen des Deutschen Richterbundes hervorgeht. 2016 waren es demnach 41 Fälle gewesen.
Der Verband sieht als Ursache dafür den gewachsenen Aufwand bei der Bearbeitung von Strafverfahren, aber auch den Mangel an Staatsanwälten und Richtern.
Die Justiz ist verpflichtet, Verfahren gegen Untersuchungs-Häftlinge möglichst schnell voranzutreiben. Andernfalls
kommen Betroffene nach einer gewissen Zeit aus der U-Haft frei, auch wenn die Vorwürfe gegen sie nicht ausgeräumt sind. Eine starre Obergrenze gibt es bei Verstößen gegen das sogenannte Beschleunigungsgebot nicht. Generell soll eine Untersuchungshaft nicht länger als sechs Monate dauern. Wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen das rechtfertigen, ist eine Verlängerung aber möglich. In Untersuchungshaft landen nur dringend Tatverdächtige.
Die Deutsche Richterzeitung hatte bei den Justizministerien aller Bundesländer die Zahl der Haftentlassungen wegen zu langer Strafverfahren abgefragt. Die meisten Fälle gab es 2017 demnach in Thüringen (9), gefolgt von Sachsen (8). Dahinter lagen Berlin und Baden-Württemberg (jeweils 6) und Bremen (5). Lediglich in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern seien keine Tatverdächtigen wegen überlanger Verfahren aus U-Haft freigekommen.