Nordwest-Zeitung

„Fast wie zu Hause“

Rstronaut Alexander Gerst bereit für zweite ISS-Mission Zum zweiten Mal fliegt Alexander Gerst am Mittwoch ins All. Als erster Deutscher darf er sogar das Kommando auf der Raumstatio­n ISS übernehmen. Seine Vorfreude ist groß, doch seine Erfahrunge­n stimme

- VON THOMAS KÖRBEL

ZWenn man zum zweiten Mal in sein Raumschiff steigt, dann fühlt es sich schon ein wenig an wie zu Hause“ALELANIER GERST

Überborden­de Neugier war Alexander Gerst quasi in die Wiege gelegt. „Als kleiner Junge schon habe ich mich für alles interessie­rt, was mit der Entdeckung der Welt zu tun hatte: für Vulkane, Stürme, Erdgeschic­hte, ferne Kulturen und Länder – und für das All“, schreibt Gerst, geboren am 3. Mai 1976 in Künzelsau (Baden-Württember­g), in seinem Buch „166 Tage im All“. Generell habe ihn seine Familie stets bestärkt, betonte der 42-Jährige, der zwei jüngere Brüder hat.

Gerst studierte Geophysik, erklomm Vulkane in der Antarktis, Vanuatu und Äthiopien. Bei jeder berufliche­n Entscheidu­ng habe er geprüft: Verbaut mir das die Chance, als Astronaut arbeiten zu können? „Ich hatte schon immer den Traum, dass ich mich einmal als Astronaut bewerben wollte“, erklärt Gerst in einem „Omega Tau“-Podcast.

2FFG schrieb die europäisch­e Raumfahrta­gentur Esa Astronaute­n-Stellen aus. Nach einer Reihe „sauschwere­r“Tests für die anfangs mehr als G4FF Bewerber stand fest: Alexander Gerst wird Astronaut. Am 2G. Mai 2F14 startete er für ein halbes Jahr zur Internatio­nalen Raumstatio­n. Für die Esa war Gerst ein Geschenk des Himmels: „Astro-Alex“macht – groH, durchtrain­iert und kahlrasier­t – etwas her als Botschafte­r für die Raumfahrt. BAIKONUR Alexander Gerst könnte aufgeregt sein, bevor er mit der unvorstell­baren Kraft von mehr als 20 Millionen PS zu seiner zweiten Weltraummi­ssion aufbricht. Doch der deutsche Astronaut mit dem Spitznamen „Astro-Alex“wirkt abgeklärt und routiniert. „Ich weiß, was auf mich wartet“, sagt der Geophysike­r, der aus Künzelsau in BadenWürtt­emberg stammt. Nur vier Jahre nach seinem ersten Aufenthalt auf der Internatio­nalen Raumstatio­n fliegt Gerst am Mittwoch (6. Juni) wieder zur ISS. Für die Mission „Horizons“(Horizonte) soll Deutschlan­ds Mann im All ein halbes Jahr in der Schwerelos­igkeit leben und forschen – auf dem Außenposte­n der Menschheit, der 400 Kilometer über der Erde seine Bahnen zieht. „Ich weiß schon, wie es sich anfühlt, da zu schlafen, zu essen, zur Toilette zu gehen“, sagt Gerst. Auch auf den Raketenflu­g zur ISS blickt der 42-jährige Astronaut der Europäisch­en Raumfahrta­gentur Esa gelassen – dank der Erfahrung von seiner Mission „Blue Dot“2014. Dabei gäbe es gerade beim Start Grund zur Nervosität, denn eine SojusRaket­e gleicht einem Feuerstuhl. Wenn Gerst in die enge Kapsel an der Spitze der Sojus steigt, sitzt er auf rund 77 Tonnen Treibstoff. In wenigen Minuten verbrannt, erzeuge die Rakete damit so viel Energie wie mehrere Kern- kraftwerke im selben Zeitraum, erklärt er.

Das Gefühl beim Start beschreibt Gerst als „absolut großartig“. Doch man könne es nicht komplett genießen. „Es ist ja nicht so, dass wir in einem gemütliche­n Sessel sitzen und uns fliegen lassen“, sagte er bei einem Training im Frühjahr in Moskau. Beim Start müssten laufend Systeme überprüft werden.

Vom Flug 2014 habe er daher viele Details vergessen, gesteht Gerst. „Ich bin gespannt, ob ich es bei diesem Start hinkriege, ein bisschen mehr von meiner Umwelt mitzubekom­men, weil es nicht mehr so neu ist.“Doch als Co-Pilot der Sojus hat er diesmal mehr Verantwort­ung als damals, als er als einfacher Bordingeni­eur mitflog.

Gersts zweite Mission fällt in ein Jubiläumsj­ahr. Vor 40 Jahren flog der DDR-Kampfpilot Sigmund Jähn als erster Deutscher in den Kosmos. Der heute 81-Jährige startete im August 1978 mit einer Sojus, einem Vorvorgäng­er der aktuellen Version, und verbrachte fast acht Tage auf der sowjetisch­en Raumstatio­n Saljut-6, einem Vorvorgäng­er der ISS.

Inzwischen ist Gerst der elfte deutsche Raumfahrer. Auf der ISS waren zwei Deutsche vor ihm, und auch er selbst war ja schon da. Dennoch wird seine zweite Reise etwas Besonderes, denn Gerst darf als erster Deutscher im August für etwa drei Monate das Kommando auf der Raumstatio­n übernehmen. Dies ist ein Privileg, das gewöhnlich die USA und Russland als Hauptzahle­r des Milliarden­projekts ISS beanspruch­en, das im Herbst seinen 20. Geburtstag feiert.

Gersts Reise ins All beginnt an einem historisch­en Ort. Von dem russischen Weltraumba­hnhof Baikonur in der zentralasi­atischen Steppe aus war 1961 Juri Gagarin als erster Mensch ins All geflogen. Er umrundete die Erde in 108 Minuten.

Gerst hat schon 165 Tage im All verbracht. Nun sollen 188 Tage hinzukomme­n. Zweieinhal­b Jahre hat der promoviert­e Vulkanolog­e beim Training im Raumanzug geschwitzt und Abläufe gebüffelt. Dutzende Experiment­e warten auf ihn im All. Für seine Rolle als Kommandant habe er schon vorab vieles organisier­en müssen, sagt er.

Zwischen Moskau, Houston und Köln pendelten Gerst und seine Team-Kollegen, der russische Kampfpilot Sergej Prokopjew und die US-Ärztin Serena Auñón-Chancellor. Das schweißt zusammen. „Wir haben das Winter-Überlebens­training zusammen verbracht, bei minus 20 Grad im Wald, ohne Zelt, ohne Schlafsack. Da lernt man sich kennen“, sagt Gerst. „Mein Ziel ist es, dass wir alle als Freunde wieder landen“, sagte er.

Der künftige „Commander Gerst“ist der Popstar in der Crew. Der charismati­sche Glatzkopf, der gern und viel twittert, ist ein Medienprof­i. Im Gespräch zeigt er sich immer wieder auch als nachdenkli­cher Mensch. Wenn man von der ISS auf die Erde herabblick­e, verstehe man plötzlich, dass das nur eine kleine Steinkugel ist, sagt er. „Die Frage ist, wie wir Menschen es anstellen, dass wir die Erde bewohnbar halten – gerade wenn man sieht, in welchem schwarzen Nichts sich die Erde bewegt.“Auch deswegen heiße seine neue Mission „Horizons“: „Wir wollten den Blick erweitern auf das, was hinter dem Horizont ist.“

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BILIER: BERGKGERST Ier künftige „Commander Gerst“ist der Popstar der Crew – und ein Medienprof­i, der gern twittert und Selfies macht (Bild oben) JonderISS.

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