Nur Neuer präsentiert sich in WM-Form
Löw bleibt trotz 1:2-Niederlage in Österreich gelassen – Heute streicht Bundestrainer vier Spieler
Löw gibt an diesem Montag seinen endgültigen Kader bekannt. Torwart Neuer wird dann wohl definitiv dabei sein.
EPPAN Joachim Löw verbrachte die Wartezeit auf den hohen Besuch grübelnd über seinem Kaderpuzzle. Bevor die Glücksbringerin Angela Merkel in Südtirol einschwebte, musste der Bundestrainer nach der ernüchternden Niederlage in Österreich knifflige Personalentscheidungen treffen. Nur in einem Punkt hatte er die lang ersehnte Gewissheit: Kapitän Manuel Neuer ist nach bestandenem Härtetest bereit für die historische „Mission Titelverteidigung“ bei der WM in Russland.
Löw und sein Trainerteam diskutierten sich in der FünfSterne-Unterkunft Weinegg vor dem Treffen mit der Bundeskanzlerin am Sonntag die Köpfe heiß. Vier Kandidaten müssen bis um 12 Uhr an diesem Montag aus dem vorläufigen WM-Aufgebot gestrichen werden – die Liste ist nach der ersten Niederlage gegen Österreich seit 32 Jahren eher länger geworden.
Doch trotz des 1:2 (1:0) in
Klagenfurt gab sich Löw als höflicher Gastgeber für Merkel. „Wir haben genug Zeit, unsere Entscheidungen zu treffen. Die Kanzlerin kommt uns auf keinen Fall in die Quere“, sagte der Weltmeistercoach und betonte: „Ihre Ansprache war für die Mannschaft immer interessant.“
Nicht einmal zwei Wochen vor dem WM-Auftakt in Moskau gegen Mexiko muss jetzt auch Löw die richtigen Worte finden. „Alle“, ärgerte sich der 58-Jährige, „waren von ihren Möglichkeiten ein bisschen entfernt. Wenn wir so spielen,
haben wir in Russland keine Chance.“
Der einzige Lichtblick an einem nicht nur wegen des Unwetters trüben Abend war Neuer. Nach 259 Tagen Verletzungspause spielte der Torhüter, als sei er nie weg gewesen. Mit zwei starken Paraden verhinderte der Münchner weitere Gegentreffer. „Er hat in einigen Situationen sehr gut reagiert, er war präsent und reaktionsschnell. Man hat ihm die Pause nicht angemerkt“, stellte Löw zufrieden fest. Vor einer Woche hatte er bereits klargestellt, dass Neuer
nur als Nummer eins mit nach Russland reisen werde. Marc-André ter Stegen bleibt wohl nur die Reservistenrolle.
Löw muss im Falle einer Neuer-Nominierung Bernd Leno oder Kevin Trapp aussortieren. Jonathan Tah dürfte es ebenfalls erwischen, da Jérome Boateng (Aufbautraining nach Muskelverletzung) keinen Zweifel an seiner WMTeilnahme lässt.
Kandidaten für die weiteren Nieten bei Löws Lotterie „4 aus 27“sind Sebastian Rudy, Julian Brandt („Bin entspannt“), Debütant Nils Pe- tersen („Bleibe ganz ruhig“) und Marvin Plattenhardt – nach zahlreichen schwachen Auftritten in der DFB-Auswahl darf sich auch Leroy Sané nicht zu sicher sein. In Klagenfurt punktete kein Spieler von Löws Streichliste.
Dies galt auch für die gesetzten Außenverteidiger Joshua Kimmich und Jonas Hector sowie für die Ersatz-Innenverteidigung um Niklas Süle und Antonio Rüdiger. Nach der frühen Führung durch Mesut Özil (11. Minute) gab der Weltmeister das Spiel durch zahlreiche Ballverluste und Unkonzentriertheiten immer mehr aus der Hand. Die Niederlage nach den Treffern des Augsburgers Martin Hinteregger (53.) und des Schalkers Alessandro Schöpf (69.) war verdient. „Außer Manuel Neuer waren fast alle Dinge negativ“, räumte Kimmich selbstkritisch ein.
So waren neben Neuer die fehlenden Weltmeister Thomas Müller, Boateng, Mats Hummels und der erst am Samstag angereiste Toni Kroos die Gewinner. Löws Erkenntnis: Ohne die Etablierten geht es (noch) nicht.
Beim WM-Auftakt am 17. Juni gegen die Mexikaner wird das Gesicht der Mannschaft anders aussehen. Daher bleibt Löw trotz des fünften Länderspiels in Folge ohne Sieg – das gab es zuletzt vor 30 Jahren unter Franz Beckenbauer – gelassen: „In zwei Wochen wird die Mannschaft ganz anders präpariert sein. Ich werde jetzt keine schlaflosen Nächte verbringen.“