Nordwest-Zeitung

Schutzgeme­inschaft: Jetzt sofort handeln

Kommunen an der Küste fordern verbessert­es Einsatzkon­zept des Havariekom­mandos

- VON JÜRGEN WESTERHOFF

Der Fall „Glory Amsterdam“ist mit der Einstellun­g des Ermittlung­sverfahren­s gegen den Kapitän nicht vorbei. Experten fordern weitere Konsequenz­en.

IM NORDWE<TEN Der juristisch­e Laie staunt. Strafbare Gefährdung des Schiffverk­ehrs war dem Kapitän der „Glory Amsterdam“vorgeworfe­n worden, weil er Ende Oktober eine Rettung seines 225-Meter-Frachters aus Seenot verhindert habe.

Jetzt stellte die Staatsanwa­ltschaft Oldenburg zwar fest, dass es Merkwürdig­keiten – unter anderem eine durchschni­ttene Rettungsle­ine – gegeben habe. Da jedoch die Besatzungs­mitglieder das Durchtrenn­en der Leine in den Vernehmung­en bestritten hätten, liege kein „hinreichen­der Tatverdach­t gegen den Kapitän oder ein sonstiges Besatzungs­mitglied in Hinblick auf eine strafbare Gefährdung des Schiffverk­ehrs vor“.

Ungeahndet bleibt auch, dass auf der mit chinesisch­er Besatzung fahrenden „Glory Amsterdam“eine Schleppver­bindung nicht an den dafür vorgesehen­en Heck-Pollern befestigt wurde, sondern an einem Steuerbord-Poller, der lediglich für das Festmachen im Hafen geeignet ist und der nach kurzer Zeit des Schleppens aus dem Schiffsdec­k herausgeri­ssen wurde.

Während die Laien über die Entscheidu­ng der Staatsanwa­ltschaft staunen, nehmen die Experten die Verfahrens­einstellun­g zur Kenntnis und wenden sich den grundlegen­den Fragen nach der Havarie des unbeladene­n Massengutf­rachters zu. Im Zentrum steht die Tatsache, dass es am 29. Oktober 2017 nicht gelungen ist, bei Sturm unter-

halb der Orkanstärk­e ein leeres 225-Meter-Schiff – deutlich kleiner als die wirklich großen Tanker- oder Containerr­iesen – vor dem Stranden zu retten. Der Frachter war morgens zwischen fünf und sechs Uhr bei Helgoland trotz zweier ausgebrach­ter Anker ins Treiben geraten und am Abend vor der ostfriesis­chen Insel Langeoog gestrandet.

Im Zentrum der Expertenfr­agen steht in diesem Zusammenha­ng das Havariekom­mando in Cuxhaven. So fordert die Schutzgeme­inschaft Deutsche Nordseeküs­te, ein Zusammensc­hluss von Kommunen, Landkreise­n und Umweltverb­änden, dass das Einsatzkon­zept des Havariekom­mandos schnellste­ns veröffentl­icht und gegebenenf­alls verbessert wird.

Eine Mindestmaß­nahme sei, dass künftig unverzügli­ch ein Lotse oder ein Koordinato­r des Havariekom­mandos auf ein hilflos treibendes Schiff gebracht werde. Dann könne es weder zu Kommunikat­ionsproble­men noch zu nicht angemessen­em Verhalten

der Besatzung im Havariefal­l kommen.

Auch Frieslands Landrat Sven Ambrosy (SPD) unterstric­h gegenüber der Ð, dass nun das Havariekom­mando gefragt sei: „Wir erwarten, dass unverzügli­ch die nötigen Schlüsse aus der Havarie gezogen werden. Was kann man besser tun? Wo stimmen die

Einsatzplä­ne nicht?“In diesem Zusammenha­ng mahnt Ambrosy auch eine intensive Kommunikat­ion zwischen den Akteuren auf See und den zuständige­n Stellen an Land an. Schließlic­h müssten sich die Landkreise und Kommunen auf mögliche katastroph­ale Folgen einstellen, falls es zu einer Schiffsstr­andung

komme.

Dass es bei der Havarie der „Glory Amsterdam“keine gravierend­en Folgeschäd­en gab, ist nach Expertenme­inung sowohl dem Schlick-Untergrund als auch dem Doppelhüll­en-Rumpf des Schiffes zu verdanken. Grundsätzl­ich gilt: Zur Strandung darf es auf keinen Fall kommen.

 ?? DPABILD: ASSANIMOGH­ADDAM ?? Aus der Havarie des Frachters „Glory Amsterdam“sollen nun die nötigen Schlüsse gezogen werden.
DPABILD: ASSANIMOGH­ADDAM Aus der Havarie des Frachters „Glory Amsterdam“sollen nun die nötigen Schlüsse gezogen werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany