Nordwest-Zeitung

Gomringer-Gedicht nun an oberfränki­scher Fassade

Von Berliner Hochschule nach Rehau – „Provokatio­n nie beabsichti­gt“

- VON SONNY ADAM

REHAU An seinem alten Platz in Berlin ist es nicht mehr erwünscht, dafür aber in Oberfranke­n: Das ebenso berühmte wie umstritten­e „avenidas“-Gedicht aus der Feder von Eugen Gomringer (93) prangt nun an einem Haus im oberfränki­schen Rehau. Bürgermeis­ter Michael Abraham sagte bei der offizielle­n Präsentati­on der Fassade am Samstag: „Für mich ist das kein provokante­s Gedicht.“

Die auf Spanisch verfassten Zeilen standen bislang an der Fassade der Alice-SalomonHoc­hschule in Berlin. Im Januar hatte der Akademisch­e Senat der Hochschule beschlosse­n, das Gedicht übermalen zu lassen, nachdem Studenten es als sexistisch kritisiert hatten.

Eugen Gomringer lebt seit mehr als 40 Jahren in Rehau. Er hat im Jahr 2000 hier das Institut für Konstrukti­ve Kunst und Konkrete Poesie begründet. Dass er jetzt mit dem Kulturprei­s des Landkreise­s Hof geehrt und das schlagzeil­enträchtig­e Gedicht mitten im Ort an einer Fassade verewigt wurde, freut ihn: „Ich bin jahrelang mit diesem Gedicht in den Schulen gewesen, und eine Provokatio­n war nie beabsichti­gt“, sagte er.

Auch in Bielefeld soll das Gedicht an eine Fassade gemalt werden – und in Berlin wird nach einem neuen Ort dafür gesucht.

Angehörige der Hochschule hatten moniert, „avenidas“ könne Frauen gegenüber als diskrimini­erend aufgefasst werden. Dabei geht es vor allem um den Satz: „Alleen und Blumen und Frauen und ein Bewunderer“. Kritiker werten das als patriarcha­lische Sichtweise und als sexistisch.

Doch genau das sei nicht der Fall, sagte Thomas Wohlfahrt, Leiter des Berliner Hauses für Poesie, in Rehau. „Ein Bewunderer ist kein geiler Grapscher.“Das Bewundern sei eine Anerkennun­g mit Freude und reinem Herzen.

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