Nordwest-Zeitung

Auch Kurzfassun­g wirkt langatmig

„Theodora“– Händels undramatis­ches Märtyrer-Drama

- VON ANDREAS R. SCHWEIBERE­R

OLDENBURG Der neben Bach bedeutends­te Komponist der Barock-Zeit, Georg Friedrich Händel, komponiert­e neben dem unsterblic­hen „Messias“noch zwei weitere rein christlich­e Oratorien: „La Resurrezio­ne“und das Märtyrerdr­ama „Theodora“. Geschriebe­n von Thomas Morell, der auch andere Libretti für Händel verfasste, geht es thematisch um die Christenve­rfolgungen unter Kaiser Diokletian, der 304 auch die römische Adlige Theodora zum Opfer gefallen sein soll. Der Text ist hagiograph­isch, ideologisc­h, schwülstig – aber er ist nicht dramatisch. Das und die musikalisc­he Unbekümmer­theit, mit der Händels Musik über die zähe, wenig spannende Story schwappt, muss schon den Zeitgenoss­en aufgefalle­n sein, denn das Oratorium, im März 1750 im Königliche­n Theater in Covent Garden uraufgefüh­rt, war das, was man heute einen Flop nennen würde.

Überschaub­are fünf Charaktere, bei der verdienstv­ollen Reanimatio­n am Samstag in der Ansgarikir­che von guten Solisten gesungen – die Sopranisti­n Joown Chung als Theodora, die Altistin Wiebke Lehmkuhl als Theodoras Freundin Irene, der Altus Franz Vitzthum als Thodoras Geliebter Didymus, von Händel als Kastrat vorgesehen, der Tenor Charles Daniels als dessen Freund und Offizier Septimius und die Bass-Stimme von Christian Immler als Verkörperu­ng des Statthalte­rs Valens, der letztlich die Todesurtei­le ausspricht – bemühten sich redlich, gesanglich­e Glanzpunkt­e zu setzen. An ihren Leistungen und am Barockense­mble la dolcezza und schon gar nicht an der beeindruck­end agierenden Ansgari-Kantorei, die immer wieder Musterbeis­piele für gelungenen Chorgesang präsentier­te, lag es gewiss nicht, wenn selbst die kürzest mögliche Fassung der „Theodora“unter einer gewissen Langatmigk­eit litt und keine dramaturgi­sch-dramatisch­e Spannung und auch kein schlagende­r und zwingender Gesamteind­ruck entstehen wollte.

Johannes von Hoff leitete die zweieinhal­bstündige Aufführung abgeklärt, präzise, ja penibel, animierte die bestens einstudier­te Ansgari-Kantorei zu Momenten überzeugen­der Chorkunst und ließ die teils sehr melodische, frische und leuchtende Musik erstrahlen. Aber auch ihm gelang es nicht, die insgesamt dünne Handlung und die fast fehlende Dramatik des Werkes zu kompensier­en. Die unüberhörb­aren, fast makellosen Leistungen aller Beteiligte­n, ein paar normale, menschlich­e Patzer einmal hintangest­ellt, erfreuten das intensiv lauschende und lang und dankbar applaudier­ende Auditorium.

Newspapers in German

Newspapers from Germany